Juden in Hochberg Zunächst ein schiedlich-friedliches Zusammenleben
Bei einem kurzweiligen Rundgang informiert Kai Buschmann vom Verein Beth Shalom über jüdisches Leben im Remsecker Stadtteil Hochberg. In einem stilechten Gewand.
Bei einem kurzweiligen Rundgang informiert Kai Buschmann vom Verein Beth Shalom über jüdisches Leben im Remsecker Stadtteil Hochberg. In einem stilechten Gewand.
Kai Buschmann ist Schulleiter in Degerloch, FDP-Regional-, Stadt- und Kreisrat. Und bei Führungen des Remsecker Vereins Beth Shalom, dessen Vorsitzender er seit 2021 ist, wirft er sich zuweilen in die Robe eines jüdischen Viehhändlers Abraham Herz, um die Erinnerung an die jüdische Gemeinde in Hochberg wachzuhalten.
Beth Shalom bedeutet Haus des Friedens. Bei den Rundgängen in Hochberg beleuchtet der Verein im Wesentlichen anhand von drei Daten die Geschichte der jüdischen Gemeinde – 1770, 1870 und 1939 – zudem mit dem Schicksal von drei Männern: Abraham Gideon, Abraham Herz und Adolf Falk. Falk konnte als letzter Jude Hochbergs gerade noch rechtzeitig nach London flüchten und den Nazis entkommen. Vor seinem Haus liegt heute ein Stolperstein. „Dieser wird etwa alle zwei Wochen poliert. Durch die stark befahrene Hauptstraße verschmutzt er rasch“, berichtet Buschmann im Gewand des Kaufmanns Abraham Herz.
Um 1850 habe ein lebendiges Miteinander zwischen den Kulturen geherrscht. In Hochberg lebten damals 500 Christen und 300 Juden schiedlich-friedlich in der Gemeinde. „Das können wir von Hochberg lernen“, erneuerte Buschmann die Botschaft, die „dringend verstanden werden“ müsse.
Bekleidet mit einem weißen Leinenhemd, einer Wildlederweste, einem Stock mit silbernem Knauf und einem Hut führte Buschmann die kleine Zuhörergruppe zur Schlosskirche in Hochberg. Sie wurde im Jahr 1854 grunderneuert. Ihr Portal aber war damals traditionell nach Osten ausgerichtet, wurde dabei jedoch – weil die Gemeinde schon zu jener Zeit ein Zeichen setzen wollte – von der Längsachse her so verschoben, sodass sie direkt auf die Synagoge wies.
Buschmann begann seine Runde mit Abschiedsworten. Abraham Herz und seine Frau Zilka hatten sich 1870 entschlossen, Hochberg zu verlassen. Viele Juden waren zuvor schon weggezogen: nach Ludwigsburg, Stuttgart oder auch Amerika. „Der Eisenbahn wegen“, so der Kaufmann, der Hochberg von da an „im Windschatten liegen sah“. Herz, der „als erster Jude im Königreich Württemberg in den Gemeinderat gewählt wurde und dort 25 Jahre wirkte, hatte in Karlsruhe eine Stadtvilla erworben. Die Zahl der Juden in Hochdorf schmolz auf 80.
Konfliktfrei sei es zwischen Christen und Juden nicht immer zugegangen, die Streitereien seien aber zu lösen gewesen. Etwa Probleme um den Sabbat und die Sonntagsruhe der Christen, was gleich zwei Ruhetage erzwungen hätte. Der Kompromiss: jüdische Geschäfte sollten sonntags nur innerhalb der Familie vorgenommen werden. Das Gasthaus Rose wurde geschaffen, um Betteljuden, die zu Sabbat in den Ort kamen, Unterschlupf und Mahlzeiten zu ermöglichen.
Buschmann beschrieb den Pragmatismus der damaligen Entscheider: Herz vertraute man als Kämmerer die Gemeindekasse an, weil er 30 000 Gulden besaß und als reich galt. Einer, der das Geld der Gemeinde tüchtig vermehrte. Die Gruppe erfuhr auch, was es mit der Mesusa auf sich hat: eine schräg am Türpfosten angebrachte Schriftkapsel, die im Judentum als Haussegen Bedeutung hat und die verantwortlich für die Redensart sei: „Der Haussegen hängt schief.“