Judith Holofernes, Sängerin der Band Wir sind Helden, übt sich in tierischer Lyrik. Einfallsreich oder ballaballa? Ein bisschen was von beidem und schön verspielt auf jeden Fall.

Stuttgart - Judith Holofernes hat sich viel Zeit genommen. Nachdem ihre Band Wir sind Helden 2012 eine zeitlich unbestimmte Pause verkündete, hat sich die Sängerin dem Müßiggang verschrieben. Besser: sie hat eine „Müßig-Gang“ gegründet, wie sie selbst sagt. Bereits aus dem letzten Album „Bring mich nach Hause“ (2010) war deutlich herauszuhören, dass ihr alles zu viel geworden war, der Ruhm, der Rummel, das rastlose Popstar-Dasein.

 

Also, lieber auf die faule Haut legen, Seele baumeln lassen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Geld genug verdient hat sie vermutlich in den Jahren als Lieblingspopstar der Studenten oder „Sprachrohr ihrer Generation“, wie sie von den Medien gern bezeichnet wurde. Finanziell kann sie sich die Auszeit leisten. Zumal sie ja auch Mutter von zwei Kindern ist, die sie großzuziehen hat.

Aber so gar nichts tun, beziehungsweise nur für die Kinder da sein, geht offenbar irgendwie auch nicht. Also startete Holofernes erst mal einen Blog, brachte zwischendurch ein Soloalbum heraus („Ein leichtes Schwert“, 2014) und meldete sich hin und wieder öffentlich zu Wort, meist via Twitter. Aber eigentlich ist sie viel lieber nachdenklich und verträumt, ein „Bücherwurm-Nerd“, wie sie über sich sagt. Ihre Gedanken und Ansichten über die Welt im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen hüllt sie lieber in Pop-Lyrik, als sie geradeheraus zu posaunen.

Schön sind auch die Illustrationen

Zu dieser Stimmungslage passt ihre Passion für Tiergedichte hervorragend. Was zunächst nur den Lesern ihres Blogs sowie den Fans vorbehalten war – viele Helden- und Holofernes-Liedtexte sind vertonte Tiergedichte –, ist in das verspielte, quatschig-schöne Buch „Du bellst vor dem falschen Baum“ eingegangen. Da geht es einerseits um ungewöhnliche Tiere wie den Tuberkelhokko: „Tuberkelhuhn?/ Tuberkelgeier?/Tuberkulöser/Truthahn? Reiher?/ Jedenfalls: ein ernstes Tier/ Meistens guckt er so wie hier/ Machst nichts locker so vom Hokko – / Bist kein Rokko!/ Bist verkrampft/ Und angestampft!/ Dünkelhokko/ Mach dich lokko!/ Keinen Bokko?/ Ekelhokko“. Andererseits um Gewöhnlicheres wie den Gecko: „Gecko, Gecko/ Gecko keck!/ Gecko, Gecko/Gecko weg.“

Ist das nun einfallsreich und witzig oder einfach nur ballaballa? Hehre Lyrik ist es jedenfalls nicht. Muss ja auch nicht sein. Letztlich sind Holofernes’ Tiergedichte nichts weiter als die Fortsetzung oder Neuauflage ihrer Liedtexte, leider ohne ihren beseelten Pop-Elfen-Gesang. Dafür mit großartigen Bildern der Illustratorin Vanessa Karré. Da treffen bunte Fantasie-Tierwelt-Collagen auf einfache Bleistift-Vogel-Skizzen, comichafte Nagetiere auf surreales Federvieh, naive Elefanten-Zeichnung auf ausgefeilte Unterwasserwelt-Komposition.

Und wer beim Lesen des Gedichts „Ein Raubtier“ die wunderbare Melodie des entsprechenden Wir-sind-Helden-Songs „Kreise“ im Ohr hat, für den bekommen die Andeutungen und Anspielungen auch die emotionale Tiefe, die Holofernes vermutlich beabsichtigt hat, als sie schrieb: „Und du baust Jahr für Jahr/ einen neuen Käfig aus Glas/ und du drehst Kreise um Kreise um/ Kreise um Kreise um Kreise/ und: Ja, ja, ja/ Vielleicht macht das ja Spaß/ immer entlang an der Käfigwand/ auf dieselbe Weise.“