Nevresa Hodzic, 12, kommt mit Eltern und Geschwister im Jahr 2017 aus Bosnien und Herzegowina nach Schmiden und findet beim SV Fellbach eine neue Anlaufstelle für ihre Lieblingssportart.

Fellbach - Der Trainer Christian Ellinger hat in dem kleinen Übungsraum bei der Gäuäckerhalle I, den sie alle Dojo nennen, beim Treffen am Montagabend 17 junge Judoka des SV Fellbach um sich versammelt. Sie sind mit Begeisterung dabei, wenn der Übungsleiter ihnen die Technik des Judosports näherbringt. Am Mattenrand steht – deutlich weniger begeistert – Nevresa Hodzic. Sie darf nur zuschauen, weil sie sich zu Beginn der Sommerferien einen Zehen gebrochen hat und seitdem pausieren muss. Dabei würde sie doch so gern wieder auf die Matte steigen, wieder mitmischen, wieder inmitten dieser Trainingsgruppe sein. Die Zwölfjährige liebt den Judosport, seitdem sie im Alter von sechs Jahren damit angefangen hat. Damals noch in Bosnien und Herzegowina, wo sie gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern Ahmed, 15, und Emina, 11, gelebt hat. Seit dem Jahr 2017 wohnt die Familie in Schmiden. „Ich kann es kaum erwarten, bis ich wieder auf die Matte darf“, sagt Nevresa Hodzic. In dieser Woche soll es soweit sein.

 

Auch Christian Ellinger freut sich auf die Rückkehr der talentierten Sportlerin: „Nevresa ist eine ganz Liebe, die immer fleißig mittrainiert und sich bei uns toll integriert hat. Es macht richtig Spaß, mit ihr zu arbeiten.“ Überhaupt freut der Fellbacher Jugendtrainer sich über den großen Zuspruch bei den Übungseinheiten. „Wir hatten noch nie so viele gute Mädchen in der Gruppe“, sagt er. Dazu zählen Lea Luginsland, Tamara Kuhn oder auch Jana Mazur – und eben unbedingt auch Nevresa Hodzic.

In ihrem Heimatland ist sie oft zu Turnieren mitgefahren und hat auch schon ein Dutzend Medaillen gesammelt. Doch nun ist sie froh, in Fellbach zu sein. Das liegt vor allem an der Schule. „Das war dort das Schlimmste für mich, da war ich eine Außenseiterin. Hier bin ich toll aufgenommen worden, auch wenn der Start aufgrund der Sprache kompliziert war“, sagt Nevresa Hodzic. Sie besucht die sechste Klasse der Hermann-Hesse-Realschule in Schmiden, ihre Lieblingsfächer sind Mathematik, Englisch und Französisch. Bei einem Deutschkurs an der Anne-Frank-Schule hat sie gleich nach ihrer Ankunft die Grundlagen gelegt für die Integration in der neuen Umgebung. Weil ihr Vater, ein Berufskraftfahrer, in Deutschland eine Arbeit gefunden hatte, ist die Familie Hodzic umgezogen.

Die Fußverletzung war nicht der erste Rückschlag für Nevresa Hodzic. Im März 2020 wurde auch ihr Trainingseifer von der Coronapandemie gestoppt. Die Judoka des SV Fellbach durften monatelang nicht zusammen in die Halle. Da war auch das Online-Trainingsangebot nur ein schwacher Trost für die Zwölfjährige. Und im Mai dieses Jahres hat das Virus sie auch selbst erwischt. 15 Tage lang war sie zu Hause. Auch wenn sie anschließend noch ziemlich groggy war, hat sie daheim auf einer Trainingsmatte ihre Übungen gemacht. Sollte alles gut verlaufen, wird Nevresa Hodzic von dieser Woche an wieder montags und mittwochs mit ihrer Gruppe im Dojo in Fellbach trainieren.

Wenn sie über Judo spricht, glänzen ihre Augen. Sie mag dabei besonders, dass nicht geschlagen wird, sondern nur geworfen. „Wir passen aufeinander auf“, sagt Nevresa Hodzic, die nun keine Außenseiterin mehr ist, sondern ganz viele Freunde um sich weiß. „Wenn ich zum Judo komme, fühle ich, dass ich hierhergehöre. Die Trainingsgruppe beim SV Fellbach ist meine Judofamilie.“ Doch auch in der Hermann-Hesse-Realschule fühlt sie sich wohl, engagiert sich auch dort abseits des Regelunterrichts.

In der Fellbacher Judoabteilung war sie zunächst in der Trainingsgruppe von Frank Schaible, jetzt wird sie von Christian Ellinger betreut. Der Jugendcoach freut sich jüngst einerseits über den gewachsenen Zuspruch, weiß aber auch, dass in der Coronazeit einige Kinder, speziell Jungs, abgesprungen sind. „Es hat ihnen gefehlt, sich reiben zu können“, sagt Christian Ellinger. Die Mädchen dagegen sind mehrheitlich dabei geblieben und machen eifrig im Training mit. Das gilt im Besonderen auch für Nevresa Hodzic, die nun endlich wieder selbst mitmischen darf – und bei den Übungseinheiten nicht nur traurig am Mattenrand stehen muss.