Außen ein Davidstern, innen viel Platz für die wachsende jüdische Gemeinde: Nach eineinhalb Jahren Bauzeit eröffnet Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Sonntag den Neubau am Rande der historischen Altstadt.

Rottweil - Die Finger der Besucher streichen sanft über den Kalksteinbrocken im Foyer. Er lädt ein zur Berührung, er ragt auffällig aus der makellos weißen Wand heraus. „Er symbolisiert die Verbindung zwischen Rottweil und der heiligen Stadt Jerusalem“, sagt Rami Suliman, der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Bei archäologischen Grabungen am Tempelberg in Jerusalem kam er zu Tage – Suliman hat ihn dank einer speziellen Genehmigung nach Deutschland ausführen dürfen.

 

„Das ist der Grundstein der neuen Synagoge von Rottweil“, sagt Suliman und kann es kaum erwarten, bis am Sonntag die 2002 gegründete und seither stark wachsende jüdische Gemeinde ein neues Gotteshaus erhält. Sie verlässt ihre viel zu klein gewordenen Räumen im ehemaligen Postamt und zieht um in einen markanten Neubau am Rande der historischen Altstadt. Wo früher eine Autowaschanlage stand, grüßt jetzt ein Davidstern an der Kalksteinfassade. Elegant kommt der Bau daher, seine Architektur soll an ein dreiteiliges Zelt erinnern, angelehnt an jenes Stiftszelt, das Moses errichtet haben soll, als er das Volk Israel aus Ägypten führte.

Der Präsident des Zentralrats der Juden feiert mit

Bis kurz vor der Eröffnung haben Bagger das Erdreich vor dem gläsernen Eingang zurecht geschoben, Elektriker Lampen montiert und den Aufzug zum Laufen gebracht. Wenn am Sonntag die Prominenz eintrifft – die Gästeliste reicht vom Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann bis zu Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden – muss alles fertig sein. Dann werden drei Tora-Rollen in einer feierlichen Prozession von den bisherigen Räumen der Gemeinde zu dem Neubau getragen. Er wird aus Sicherheitsgründen videoüberwacht und zum Teil durch einen Zaun geschützt, der Zutritt erfolgt über eine Schleuse am Eingang.

,„Für uns wird ein Traum wahr“, sagt Tatjana Malafy, die Geschäftsführerin der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen. Die gebürtige Ukrainerin engagiert sich seit Jahren dafür, dass für die inzwischen 270 Gemeindemitglieder etwas Neues entsteht, ein Ort, wo der Glauben gemeinsam gelebt werden kann. „Hier wohnt Gottes Seele“, sagt sie bei einem Gang durch das vier Millionen Euro teure Gebäude. Vom Seniorentreff bis zum großzügigen Jugendraum, von der koscheren Küche bis zum rituellen Tauchbad, der Mikwe, hat alles Platz gefunden unter dem symbolischen Zeltdach aus Beton. „Ich bin so stolz, dass wir es geschafft haben“, sagt Malafy und erzählt, dass alle Gemeindemitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion stammen. 27 seien Holocaust-Überlebende, der älteste 91 Jahre alt. Malafy hat alle Hände voll zu tun vor dem Festakt. Letzte Absprachen mit dem Architekten Christof Birkel stehen an, sie muss noch nach Straßburg, um koschere Lebensmittel für das Fest einzukaufen.

Im oberen Stock wird der gerade mal 25-jährige orthodoxe Rabbiner Levy Yitschak Hefer wohnen, der mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern vor Kurzem von Israel nach Rottweil gezogen ist. Seine Bücher sind schon halb eingeräumt, die Kinderbetten aufgestellt. Er spricht ein brüchiges Deutsch, fällt gelegentlich ins Englische. Für ihn ist es selbstverständlich, aus religiösen Gründen Frauen nicht die Hand zu reichen. Schon der Großvater seiner Frau war einst Rabbiner in Konstanz. „Das ist die Mission meines Lebens“, sagt Hefer, ein Mann mit rötlichem Bart und traditionellen Fransen an der Hose. „Was für ein Glück, hier zu sein.“

Schulklassen sollen die Synagoge besuchen

In der Synagoge – ein Raum, der von Tageslicht durchflutet ist – sitzen die Frauen oben auf der Empore. Die Männer nehmen unten auf Klappstühlen Platz. Geschreinert wurde die Einrichtung in einem Kibbuz in Israel, feines Buchenholz mit Granatapfelverzierungen. „Wir werden Führungen anbieten“, kündigt Rami Suliman an, „wir hoffen, dass viele Schulklassen kommen.“ Mit der Synagoge und dem Gemeindezentrum werde an eine wichtige Tradition angeknüpft, freut sich der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. „Die Gegend ist schon lange Heimat für Juden.“

Durch den Terror des Nationalsozialismus’ und die Schändung der Gebetsträume in der Reichspogromnacht 1938 sei das jüdische Leben zum Stillstand gekommen. Erst nach einer langen Pause sei es langsam zurückgekehrt. „Das ist die achte Synagoge, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Baden gebaut wurde“, sagt Suliman. Ein Neubau in Konstanz werde 2018 eröffnet, und für Baden-Baden sei auch noch ein Gotteshaus geplant. „Das zeigt, wir fühlen uns wohl in Deutschland, wir strecken die Hände aus als Zeichen der Versöhnung.“