Seit Jahrhunderten lebte die Familie Frank in Frankfurt, dann kamen die Nazis und trieben sie ins Exil und in den Tod. Jetzt kehrt das Erbe von Anne Frank zurück.

Frankfurt/Main - Das Tagebuch der Anne Frank bleibt in Amsterdam, aber viele Zeugnisse der Familie kehren heim an ihren Geburtsort Frankfurt. Objekte und Dokumente aus dem Nachlass werden in den nächsten Jahren Schritt für Schritt von Basel an den Main umziehen, gab der 86-jährige Cousin der berühmten Autorin am Dienstag bekannt. Beide wurden in Frankfurt geboren, Buddy Elias 1925, seine Cousine Anne Frank 1929.

 

Mindestens seit dem 16. Jahrhundert lebte die Familie Frank in Frankfurt. Anne Franks Vater Otto - sein Onkel - habe „hier eine glückliche Jugend verlebt“, sagte Bernhard (genannt Buddy) Elias. „Wie so viele andere Menschen hätte er sich kaum jemals vorstellen können, dass seine Heimatstadt dereinst nicht mehr für alle Bürgerinnen und Bürger Heimat sein könnte.“ Als der Nazi-Terror begann, emigrierte Familie Elias nach Basel, Familie Frank versteckte sich in Holland. „Meine Familie hatte Glück in der neuen Schweizer Heimat, Ottos Familie überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen nicht.“

Als einziger Davongekommener gründete Annes Vater 1963 in Basel einen Fonds, der die Rechte an den Schriften seiner Tochter hält. Die Erlöse fließen zu hundert Prozent in „soziale und kulturelle Aufgaben im Sinne der Botschaft von Anne Frank“. Elias ist Präsident dieses Fonds, ein kleiner grauhaariger Mann, ein bisschen schwerhörig, aber topfit. Als er jünger war, war er Schauspieler - und Clown.

Das Jüdische Museum muss erst erweitert werden

„Wir tragen Verantwortung dafür, dass künftige Generationen, die Jugend von heute, in Freiheit und mit dem Wissen für eine gerechte Gesellschaft (...) voranschreiten. Nichts Anderes lehrt uns das Tagebuch der Anne Frank“, sagte Elias. Jahrelang habe man nach einem geeigneten Standort gesucht, sich aber nun „mit guten Gründen“ für Frankfurt entschieden, nicht zuletzt der familiären Wurzeln wegen. „Mit dem heutigen Tag schließen wir einen Kreis.“

Die Stadt habe ihre Beziehung zu Anne Frank jahrzehntelang „nicht wirklich wahrgenommen“, gibt Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU) unumwunden zu. 1991 gab es eine erste Ausstellung, 1997 wurde die Jugendbegegnungsstätte Anne Frank in der Nähe ihres Elternhauses gegründet. Seit ihrem 80. Geburtstag gibt es dort auch ein Denkmal. Dass der Fonds und die Familie Elias das Familienerbe nun als Dauerleihgaben nach Frankfurt geben, sei ein Vertrauensbeweis, „der in seiner Bedeutung überhaupt nicht zu überschätzen ist“.

Es geht um mehrere hundert Gegenstände - Gemälde, Fotos, Möbel, Briefe, Erinnerungsstücke. Sie sollen im Jüdischen Museum aufbewahrt, ausgestellt und der Forschung zugänglich gemacht werden. Bis 2015 kann es dauern, bis Museumsbesucher sie zu sehen bekommen. Denn das Jüdische Museum platzt aus allen Nähten und muss erst erweitert werden, um Platz zu schaffen für das geplante „Familie Frank Zentrum“.

Das erste Exponat der künftigen Dauerausstellung - ein Bild des Urururgroßvaters von Anne und Buddy - hat der 86-Jährige am Dienstag selbst mitgebracht. Es folgen: Möbel, Haushaltsgegenstände, Gemälde und Bücher, die die Familie ins Schweizer Exil retten konnte. Dazu Briefe, Fotos und Dokumente, darunter erschütternde Briefe von Annes Vater aus Auschwitz an die Verwandten in Basel.