Kein Bürgermeister in Baden-Württemberg ist so jung, wie der am Sonntag in Walheim gewählte Christoph Herre. Aber wieso tut man sich ein solches Amt in diesem jungen Alter schon an?
Kein Tusch für den neuen Bürgermeister: Zum Wahlabend am Sonntag in der Walheimer Gemeindehalle ist der örtliche Musikverein gar nicht erst bestellt worden. Mit einem solch klaren Ergebnis schon im ersten Wahlgang habe er nicht gerechnet, erklärt der stellvertretende Bürgermeister Wilhelm Weiss die kleine Panne. Und vielleicht wäre ein Marsch im Anbetracht des jugendlichen Alters des Siegers auch nicht das Richtige gewesen. Allerdings ist Christoph Herre auch musikalisch flexibel. In seiner Freizeit spielt er in einem Posaunenchor.
Mit 24 Jahren bereisen andere die Welt und gehen feiern. Herre rückt zum jüngsten Bürgermeister im Land auf. Er fühle sich nicht durch das Amt in seiner Entfaltung eingeschränkt, versichert er. Schon als Schülersprecher am Bönnigheimer Gymnasium habe sich der Berufswunsch entwickelt. Im Studium an der Ludwigsburger Verwaltungshochschule habe er sich nun verfestigt. Zwischendurch hatte er das Handwerk des Zerspanungsmechanikers erlernt. Da arbeite man mit Vollmaterialien. „Ich bin also das Bohren dicker Bretter gewohnt“, sagt der parteilose Herre.
Kandidatur wäre vor kurzem gar nicht möglich gewesen
Bis zur Kommunalwahlreform im vergangenen Jahr hätte er in seinem Alter noch gar nicht kandidieren dürfen. Damals hatte der Landtag das passive Wahlalter für Bürgermeister von 25 auf 18 Jahre gesenkt. Der Schritt war durchaus umstritten, doch für die Walheimer war er offenbar ein Glück. Mit 85,5 Prozent sprachen sie sich klar für Herre aus. Von den drei anderen, deutlich älteren Kandidaten kam keiner über zehn Prozent.
Herre fehlt es indes nicht nur an Lebensjahren. Er hat auch sein Studium noch nicht abgeschlossen. Bei einem Arzt hätte man wohl Bedenken, wenn er schon vor dem Examen eine Praxis eröffnen würde. Bei Bürgermeistern ist das anders. Da entscheiden nicht die Professoren, sondern die Wähler, ob sie einem Kandidaten das Amt zutrauen. Verwaltungskenntnisse sind keine Zugangsvoraussetzung, sagt Herre.
Das Studium hat noch Vorrang
Dennoch wolle er sein Studium noch zu Ende bringen. Er sei auf den letzten Metern, sagt Professor Rafael Bauschke, bei dem der 24-Jährige den Vertiefungsstudiengang für angehende Führungskräfte besucht. Die Examensarbeit sei schon abgegeben, demnächst stünden die Prüfungen an. Die letzten Pflichtveranstaltungen seien im Januar. Die wesentlichen Verwaltungskenntnisse erlerne man aber schon im Grundstudium. Insofern habe er keine Bedenken, dass Herre dem Amt gewachsen sei. Gewiss sei es kein Fehler, zunächst noch zwei Jahre als Hauptamtsleiter irgendwo zu arbeiten, sagt Bauschke. Jedoch sammele man Praxiserfahrungen auch schon während des Studiums. Herre arbeitete in den Rathäusern von Neckarwestheim und Kressbronn am Bodensee.
In Walheim wartet eine herausfordernde Aufgabe. Vorgängerin Tatjana Scheerle verließ das Rathaus vorzeitig und nach jahrelangem Streit mit dem Gemeinderat. Zuletzt führte Wilhelm Weiss als Stellvertreter kommissarisch die Geschäfte. Als Herre geboren wurde, saß der schon 15 Jahre im Gemeinderat. Dennoch traut er Herre den Job zu: „Ich sehe wegen des Altes gar keine Probleme.“
Wann Dienstbeginn sein wird, ist noch offen. Bauschke rät seinem Studenten schon einmal dazu, diplomatisch im neuen Amt vorzugehen. Wichtig sei es, die Verwaltung und den Gemeinderat hinter sich zu bekommen. Herre scheint diese Lektion schon gelernt zu haben. Er werde sich zunächst einmal alles anschauen, sagt er: „Der Bürgermeister hat eine starke Stellung. Aber der Gemeinderat ist das Hauptorgan.“
Junge Bewerber bleiben die Ausnahme
Kandidaten
Auch nach der Neuregelung des Kommunalwahlgesetzes sind Kandidaten unter 25 Jahren noch eine Seltenheit. Der Jüngste war Domenico D’Orazios, der am 14. April mit 18 Jahren bei der Bürgermeisterwahl in Alpirsbach kandidierte. Der Schülersprecher vom Technischen Gymnasium Freudenstadt hatte allerdings mit 1,1 Prozent keine Chance.
Wählerschaft
Norbert Brugger, Dezernent beim Städtetag, hält die Neuregelung dennoch für sinnvoll: „Auch die bisherige Grenze von 25 Jahren war ja gegriffen.“ In jedem Fall sei klar: Auch Kandidaten unter 25 Jahren müssten vor allem die älteren Wähler überzeugen. Sie machten immer noch 90 Prozent der Wählerschaft aus.