Er selbst hat immer mit Material gearbeitet: Collagen, Objekte, Installationen und dergleichen mehr. Für den Künstler Jürgen Kierspel gibt es keine Schublade, höchstens einen roten Faden: Es geht fast immer um Recycling. „Ich bin eigentlich ein Bastler. Ich kann heute noch nicht malen“, sagt Kierspel, der sonst nicht zur Bescheidenheit neigt. Seine Kunst ist die Überraschung. „Man weiß nie, was du das nächste Mal zeigst“, hat ein Kollege einmal zu ihm gesagt.

 

90 blaue Kisten beherbergen seine Schätze. Manchmal wird das nach Themen sortiert, manchmal nur auf dem Boden ausgebreitet. Oft sind es Ausschnitte aus der Zeitung, die als Grundlage einer Collage oder eines Albums dienen. Schnipsel aus Überschriften ergeben spannende neue Wörter, die Fotos von Jubilaren werden zu 2018 Lebensjahren zusammengefasst.

Auf Hunderte von Hartfaserplatten hat er Teile von Briefumschlägen geklebt, für die er 20 Jahre lang „Mail Art“ gemacht hat. „Mail Art“ war eine Idee der 70er-Jahre und richtete sich gegen den Kommerz von Galerien: Künstler schickten sich gegenseitig kleine Bilder und Collagen. Später gab es ATC, die „artist trading cards“: 64 mal 89 Millimeter große Karten, die von den beteiligten Künstlern bemalt, beklebt, benäht und getauscht wurden. Die gesammelten Umschlagschnipsel all dieser Korrespondenzen, so sagt Kierspel, waren seine Pigmente – und so hat seine Kunst letztlich doch mit Schrift zu tun.

Vom Fotokopierer zur Digitalfotografie

Der Künstler war einer der ersten, die mit Fotokopien arbeiteten. Und als der Computer den Fotokopierer verdrängte, arbeitet er sich in die Digitalfotografie und das Gestalten mit Bildverarbeitungsprogrammen ein. Seine Fotografien zeigen oft seine Lebensgefährtin Roxana, eine Malerin, die im russischen Samara lebt.

Von seiner zweiten Heimat Russland gibt es Bilder, die nicht immer auf Zustimmung stoßen, weil sie auch die weniger schöne Seiten des Landes zeigen. Selbstironisch hat Kierspel aus dem Foto von unterschiedlich hohen Betonpfeilern zwei Versionen gemacht: eine unordentliche, russische – und die begradigte, deutsche daneben. Ein schiefes Toilettenhäuschen auf dem Gelände eines Kindergartens in Russland wird mit dem Bildbearbeitungsprogramm geradegerückt, ein kaputter Zaun aufgerichtet. „Dieser deutsche Perfektionismus ist eigentlich katastrophal“, meint Kierspel dazu.

Als nichts mehr ging, wurde er zum Professor

Doch als er 40 wurde, sei das mit dem freien Jobben nicht mehr so leicht gewesen, und so wurde er Assistent eines Fotografen. „Lampenschlepper“, erläutert Kierspel. Und als irgendwann gar nichts mehr ging, sei er Professor an der Kunstakademie geworden. Er bekam eine Professur für Schrift. „Dabei hatte ich keine Ahnung vom Unterrichten – und eigentlich auch nicht vom Fach“, meint er. Doch den angehenden Kunsterziehern an der Akademie konnte er wohl gut die Grundlagen vermitteln.

Vom Weinbauernhaus, Mail Art und von Russland

Er selbst hat immer mit Material gearbeitet: Collagen, Objekte, Installationen und dergleichen mehr. Für den Künstler Jürgen Kierspel gibt es keine Schublade, höchstens einen roten Faden: Es geht fast immer um Recycling. „Ich bin eigentlich ein Bastler. Ich kann heute noch nicht malen“, sagt Kierspel, der sonst nicht zur Bescheidenheit neigt. Seine Kunst ist die Überraschung. „Man weiß nie, was du das nächste Mal zeigst“, hat ein Kollege einmal zu ihm gesagt.

90 blaue Kisten beherbergen seine Schätze. Manchmal wird das nach Themen sortiert, manchmal nur auf dem Boden ausgebreitet. Oft sind es Ausschnitte aus der Zeitung, die als Grundlage einer Collage oder eines Albums dienen. Schnipsel aus Überschriften ergeben spannende neue Wörter, die Fotos von Jubilaren werden zu 2018 Lebensjahren zusammengefasst.

Auf Hunderte von Hartfaserplatten hat er Teile von Briefumschlägen geklebt, für die er 20 Jahre lang „Mail Art“ gemacht hat. „Mail Art“ war eine Idee der 70er-Jahre und richtete sich gegen den Kommerz von Galerien: Künstler schickten sich gegenseitig kleine Bilder und Collagen. Später gab es ATC, die „artist trading cards“: 64 mal 89 Millimeter große Karten, die von den beteiligten Künstlern bemalt, beklebt, benäht und getauscht wurden. Die gesammelten Umschlagschnipsel all dieser Korrespondenzen, so sagt Kierspel, waren seine Pigmente – und so hat seine Kunst letztlich doch mit Schrift zu tun.

Vom Fotokopierer zur Digitalfotografie

Der Künstler war einer der ersten, die mit Fotokopien arbeiteten. Und als der Computer den Fotokopierer verdrängte, arbeitet er sich in die Digitalfotografie und das Gestalten mit Bildverarbeitungsprogrammen ein. Seine Fotografien zeigen oft seine Lebensgefährtin Roxana, eine Malerin, die im russischen Samara lebt.

Von seiner zweiten Heimat Russland gibt es Bilder, die nicht immer auf Zustimmung stoßen, weil sie auch die weniger schöne Seiten des Landes zeigen. Selbstironisch hat Kierspel aus dem Foto von unterschiedlich hohen Betonpfeilern zwei Versionen gemacht: eine unordentliche, russische – und die begradigte, deutsche daneben. Ein schiefes Toilettenhäuschen auf dem Gelände eines Kindergartens in Russland wird mit dem Bildbearbeitungsprogramm geradegerückt, ein kaputter Zaun aufgerichtet. „Dieser deutsche Perfektionismus ist eigentlich katastrophal“, meint Kierspel dazu.

Das alte Weinbauernhaus an der Karl-Pfaff-Straße in Degerloch, in dem er lebt, ist beides: perfekt und mit seinen Möbeln vom Sperrmüll zugleich individuell. Drei Jahre lang hat Kierspel das Haus vom Keller bis zum Dach renoviert und dabei alles außer Dach und Heizung selbst gemacht. „500 Jahre alt und vollkommen kaputt“, sagt der pensionierte Kunstprofessor, „das Haus ist meine größte Skulptur.“