Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe, findet, dass die grün-rote Landesregierung vor Daimler und Co kuscht. Im StZ-Interview erklärt er wieso.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)
Stuttgart - Als die Deutsche Umwelthilfe vor vierzig Jahren gegründet wurde, hätten ihre Väter sicherlich nicht auf eine grüne Regierung im Land gewettet. Heute nimmt ihr Nachfolger Jürgen Resch, das grüne Regieren aufs Korn.
Herr Resch, haben die Grünen die Legislaturperiode im Land bisher gut genutzt, um eine Ökowende durchzusetzen?
Grün-Rot tut dem Land gut. In der Umwelt- und Verkehrspolitik wurden viele richtige Entscheidungen getroffen.
Sie geben Grün-Rot einen Blauen Engel?
Das nicht, obwohl der Kontrast zur Vorgängerregierung wohltuend ist. Aber: In der Umsetzung der neuen Politik, besonders gegenüber der Großindustrie im Land, fehlt oft der Mut. In der Opposition und im Wahlkampf haben die Grünen beispielsweise effiziente und saubere Autos gefordert. Seit sie regieren, vertritt die Landesregierung nun oft die Interessen der großen Industriebetriebe. Das zeigt sich beim Einsatz gegen strenge CO2-Auflagen bei Transportern, oder beim Verzicht einer Durchsetzung von Umwelt- und Verbraucherschutzgesetzen. Wir stellen ernüchtert fest: Auch Grün-Rot lässt sich von Daimler und Co oft instrumentalisieren.
Können Sie das belegen?
Als das Europaparlament die Lärmgrenzwerte für Autos verschärfen wollte, hat Porsche dem EU-Umweltausschuss ein Konzept untergeschoben, das leistungsstarken Sportwagen sogar die Möglichkeit einräumte, noch lauter zu werden. Unser Verband hat das enthüllt und von der Landesregierung Unterstützung erhofft. Als Antwort kam lautes Schweigen.
Und bei Daimler?
In der Werbekampagne für die neue S-Klasse nannte das Unternehmen zu niedrige Spritverbräuche. Daimler war nicht bereit, diese Falschangabe zu korrigieren. Wir mussten die Kampagne über eine einstweilige Verfügung stoppen. Da Daimler heimlich weiter mit den falschen Werten warb verhängte das Gericht auf unseren Antrag hin sogar ein Ordnungsgeld.
Und was geht das Kretschmann an?
Das Land ist für die Durchsetzung von Verbraucherschutzvorschriften verantwortlich. Wir haben Umweltminister Untersteller, und – weil dieser auf die angebliche Zuständigkeit der Stadt verwies – auch Oberbürgermeister Kuhn aufgefordert, wegen des Verstoßes ein Bußgeld gegen Daimler zu verhängen. Ein Jahr lang haben die Behörden auf den jeweils anderen verwiesen. Am Ende wurde uns bedeutet, dass man den wichtigen Arbeitgeber Mercedes ‚nicht verärgern’ wolle. Wenn ein Unternehmen millionenfach Verbraucher vorsätzlich über den Spritverbrauch täuscht, EU- und nationales Recht verletzt, dann darf eine Regierung nicht untätig bleiben. Wer falsch parkt, wird auch belangt.
Der Rechtsstaat garantiert gleiches Recht für alle, erlaubt aber Ermessensspielräume. Erwarten Sie, dass der Regierungschef eines Bundeslandes, in dem die Autoindustrie die zweitwichtigste Branche ist, Anti-Auto-Politik macht?
Es geht nicht um Anti-Auto-Politik. Aber was für die Bürger gilt, muss auch für Unternehmen gelten. Das Land muss zeigen, dass es von Bürgern wie Unternehmen die Einhaltung der Gesetze erwartet und bei Verstößen nicht vor Konzernen auf die Knie geht und den Blick senkt.
Niedersachsen und Bayern sind auch Autoländer. Stehen Horst Seehofer (CSU) und Stefan Weil (SPD) besser da?
Nein. Im Vergleich der Autoländer liegt Winfried Kretschmann leicht vorne, da Baden-Württemberg immerhin eine Strukturreform der Marktüberwachung in die Wege geleitet hat. Aber: Die Marktüberwachung in Baden-Württemberg legt sich nicht mit der Wirtschaft an und wagt bislang nicht – anders als Hessen und Rheinland-Pfalz –, bei festgestellten Verstößen Geldbußen gegen die Wirtschaft zu verhängen. Die Androhung eines Gesprächs ist im Ländle die Höchststrafe.
Nicht nur das Land, auch die Stadt Stuttgart hängt am Auto. Zugleich ist sie als Stau- und Feinstaub-Hochburg bekannt.
Stuttgart ist Deutschlands schmutzigste Stadt, was die Luftqualität angeht. Der Hinweis des Landes, dass die Werte an anderen Messstationen der Stadt besser sind als am Neckartor, hängt auch damit zusammen, dass man an einigen schönen und verkehrsärmeren Orten Messstellen betreibt.
Wird da kreative Mess-Politik betrieben?
Relevant sind die Überschreitungen am Neckartor, der Meßstelle in Deutschland mit den meisten Überschreitungen. Die bisher ergriffenen Maßnahmen von Stadt und Land haben nicht dazu geführt, dass die Grenzwerte eingehalten werden.
Was halten sie von den Tempo-40-Zonen, die OB Kuhn punktuell einführen will?
Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Fahrverbote für Diesel-Taxis und generell für alle Diesel, die die Euro -6-Norm nicht einhalten, sind für Stuttgart die wichtigere Maßnahme. Die Initiative für eine ‚Blaue Plakette’ von Stadt und Land ist richtig – allerdings nur für Fahrzeuge, die in der Realität sauber sind. Stuttgart muss schnell handeln, sonst werden wir über Gerichtsurteile vielleicht bereits 2016 erste Fahrverbote für Diesel verhängen.

Die Deutsche Umwelthilfe

1975 wurde die Deutsche Umwelthilfe in Radolfzell gegründet. Die Organisation war von Anfang an ein Solitär in der Öko-Szene, weil der damals kleine Naturschutzverein, der anderen Umweltinitiativen hilft Projekte zu finanzieren, seit jeher auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft setzte. 1975 machte die DUH die erste Haus- und Straßensammlung, um Geld aufzutreiben. Im Lauf der Jahrzehnte kämpfte die Organisation zum Beispiel gegen das Waldsterben, für das Dosenpfand oder für Rußfilter bei Diesel-Fahrzeugen. Heute hat der Verein Klagerecht und agiert national und auf EU-Ebene als Lobbyorganisation für Ökothemen und Verbraucherschutz. Jürgen Resch (55) ist einer von zwei Bundesgeschäftsführern und seit 1986 bei der DUH. Er ist die treibende Kraft hinter vielen Kampagnen des Verbandes. Einer seiner Lieblingsgegner ist die Autoindustrie.