Trotz Ganztagsschule und Hort bis zum Abend: Junge Menschen finden noch immer die Zeit, um ein Instrument zu erlernen. Und das tun sie nach Ansicht eines Juroren immer besser und professioneller.

Bietigheim-Bissingen - Die Farbe der Wahl ist eindeutig Schwarz. Ein schwarzer Anzug mit schwarzem Hemd für die jungen Herren und dazu schicke Lederschnürer, schwarze Kleider für die weiblichen Teenager, Feinstrümpfe und feine Schuhe. „Ich finde es toll, dass sich die jungen Leute so schick machen für ihr Wertungsspiel. Da strahlen sie doch auch gleich ein ganz anderes Selbstbewusstsein aus“, sagt Albert Haugg aus Schonach im Schwarzwald. Er ist der Vater des 17-jährigen Ludwig, der am vergangenen Freitag gemeinsam mit seinen fünf Mitspielern beim Landeswettbewerb von Jugend musiziert im Kronenzentrum in Bietigheim-Bissingen angetreten ist, um die Jury von seinem Können innerhalb der Wertungsgruppe „Besondere Ensembles“ zu überzeugen.

 

Die jungen Musiker werden immer besser

Die sechs Jugendlichen haben sich Kompositionen von Paolo Canonica, Bruno Giner, Giovanni Pagnoncelli und Edward Elgar ausgesucht. Bis auf das Stück „Military March“ von Elgar aus den „Pomp and Circumstances“-Märschen, sind es allesamt keine besonders populären Stücke; und das ist es auch, was diesen Wettbewerb ausmacht. „Wir waren in diesem Jahr sehr erstaunt über die Leistung der Jugendlichen und auch über die Auswahl der Stücke“, sagt der Jury-Vorsitzende Thomas Oertel. Überhaupt gingen die Leistungen der Wettbewerbsteilnehmer immer weiter nach oben, die jungen Instrumentalisten würden nicht nur immer perfekter im Spiel, sondern auch immer jünger. Und das, obwohl viele Kinder heutzutage die Ganztagsschule besuchen oder bis zum Abend im Hort sind. Können sie da noch ein Musikinstrument derartig profund beherrschen? „Oh ja, durchaus“, betont Oertel. Natürlich stellten die Ganztageseinrichtungen ein großes Problem dar; so hätten manche Musikschullehrer bisweilen Schwierigkeiten, vernünftige Stundenpläne bauen zu können. Dennoch: Die Didaktik an den Schulen habe sich in den vergangenen Jahren verändert, zudem besuchten viele kleine Kinder die musikalische Früherziehung. „Das ist genau der richtige Weg, um im Anschluss ein Instrument zu beginnen und sich für Musik zu begeistern“, betont Oertel. Wettbewerbe wie Jugend musiziert seien wichtige Motivationsimpulse für die jungen Menschen, zudem könnten sie dabei enormes Selbstbewusstsein aufbauen. „Wer einmal auf solch einer Bühne gestanden hat, der lernt fürs Leben“, betont er.

Musik studieren möchten nicht alle

Ein gutes Maß an Selbstbewusstsein haben auch die sechs Jung-Pianisten Ludwig Haugg, Michael Betting, Lena Huss, Lena Gruler, Martin Teichert und Zuzanna Herud. Doch obgleich sie mit ihrer Leistung an dem Nachmittag sehr zufrieden waren und am Ende sogar den zweiten Preis abräumten: Musik studieren möchte keiner der sechs, die demnächst ihr Abitur machen oder gerade gemacht haben. Ein Jahr Peru steht bei dem einen auf dem Plan, einen anderen zieht es zu den Naturwissenschaften. Auch die Mädels zucken beim Thema Musikstudium mit den Schultern. „Nö, als Profi-Pianist hat man es eh schwer“, sagen sie.

Ähnlich sieht es beim Ensemble von der Jugendmusikschule Göppingen aus, das als nächstes an der Reihe ist. Auch Janneke Berndt (Querflöte), Sarah Höfer und Johanna Gruber (beide Geige), Elena Rebecca Ruccius (Viola) und Lea Marie Ziegler am Violoncello liefern zwar eine gekonnte Performance vor der Jury ab und erhalten den 3. Preis. Doch auch sie möchten nach dem Abitur nicht an eine Musikhochschule zur weiteren Ausbildung gehen. „Nein, das Klavierspielen soll lieber nur ein schönes Hobby bleiben“, sagen alle fünf. Eines habe sie alle neben dem Einzelunterricht allerdings enorm geprägt: Das gemeinsame Musizieren im Ensemble. „Wenn ich nicht in der 6. Klasse ins Orchester gekommen wäre, hätte ich sicher hingeschmissen“, sagt Lea Marie Ziegler und lacht.

Preisträgerin in Liebs Orgel-Werkstatt

Die zwölf Jahre alte Linda Rau aus Gerstetten bei Heidenheim hat ihr Vorspiel bereits am Vormittag hinter sich gebracht und wirkt ziemlich abgeklärt. „Wir haben vierhändig Klavier gespielt, ich habe ein ganz gutes Gefühl“, sagt die junge Dame, die am Nachmittag gemeinsam mit ihrem Bruder David und ihren Eltern in die Orgelbauwerkstatt von Friedrich Lieb gekommen ist. Dort war im Rahmen der Wettbewerbe die Werkstatt-Tür für alle Interessierten einige Stunden lang geöffnet, und Lindas Familie nutzte die Gelegenheit, um sich Liebs Manufaktur anzuschauen. Zwar klang Lindas Wettbewerbsstück, die Tarantella von Nikolai Grigorjewitsch Rubinstein, auf einer Truhenorgel nicht ganz so mondän wie auf einem Flügel. Begeistert war sie dennoch. „Das ist wirklich ein interessanter Anschlag und ein ganz toller Klang“, sagt die Zwölfjährige. Ihren eigenen Anschlag wird sie im Mai beim Bundeswettbewerb in Lübeck gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Rafael Filzek noch einmal unter Beweis stellen dürfen: Sie erhielt am Freitag den 1. Preis.