Leos dementer Vater ist verschwunden, ein Filmdreh lenkt den 15-Jährigen ab. Tobias Wagner erzählt in seinem Jugendbuch „Death in Brachstedt“ mit absurdem Humor, wie ein Leben aus den Fugen gerät.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Brachstedt gibt es tatsächlich. Der kleine Ort in der Nähe von Halle wirkt beim Blick auf die Karte ländlich und sehr überschaubar. Der Autor Tobias Wagner verhilft ihm mit seinem Jugendbuch „Death in Brachstedt“ zu etwas Prominenz; nicht nur im Titel, auch in der Erzählung des 15-jährigen Leos spielt der Ort keine unbedeutende Rolle. Die Verleihung des Peter-Härtling-Preises 2025 an Tobias Wagner bringt zusätzlich Aufmerksamkeit.

 

In Halle, wo Leo seinen zunehmend dementen Vater immer wieder am Bahnhof, auf viel befahrenen Straßen oder im Krankenhaus suchen muss, kommt dem Jungen die Ordnung in seinem Leben abhanden. Eine Radelstunde draußen in einem in die Jahre gekommenen Hotel dreht er dann mit seinem nerdigen Freund Henri den titelgebenden Film: „Death in Brachstedt“ macht in Geheimagentenmanier mit Problemen kurzen Prozess und Leo erlebt, wie kreative Schnittdramaturgie Sinn ins Chaos bringt.

Cover Foto: Beltz & Gelberg/Verlag

Tobias Wagners Roman schafft klug Räume – Angsträume, in denen Leo seinen Vater nicht mehr wiederfindet, weil dessen zunehmende Demenz sich auch in körperlichem Verschwinden spiegelt, und Fluchträume, in denen der Teenager, dessen Mutter an Krebs gestorben ist, sich in einem schmerzhaften Prozess des Verlusts selbst neu finden muss. Belastender Stoff für ein Jugendbuch? Die Zusammenfassung täuscht. Denn der Autor lässt seinen jugendlichen Erzähler direkt und ehrlich Revue passieren, was ihm in der kurzen Zeit der Osterferien widerfährt und sein Leben komplett auf den Kopf stellt. Humor in einer trockenen Ausprägung ist eine von Leos Waffen gegen die Zumutungen des Schicksals. Eine andere ist seine Leidenschaft fürs Kino. Die sorgt nicht nur für witzige Auftritte der Schauspielerin Nora Tschirner, sondern schafft mit Referenzen an Hollywood-Filme und Stars ein dichtes Netz an Anspielungen. Und dann ist da noch die Kraft von Freundschaft und erster Verliebtheit, die Leo vorm Absturz bewahrt.

Rettende Freundschaften

Nicht nur Kinofans kommen auf ihre Kosten

Das hat auch die Jury des Härtling-Preises überzeugt. In ihrer Begründung lobt sie, dass es dem Autor gelinge, „eine emotional packende Geschichte mit vielen absurden Details zu einem furiosen Höhepunkt zu führen, und dann wieder zurück in einer Normalität zu landen, bei der alles anders geworden ist und doch als Konstante die verlässliche Freundschaft zweier Jugendlicher geblieben ist. Wie in einem perfekten Film stimmt bis hin zum Ton alles“.

Nicht nur Kinofans kommen in „Death in Brachstedt“ auf ihre Kosten; das Buch macht neugierig auf die zitierten Filme und kann Türen zu neuen Welten öffnen. Ganz nach dem Wunsch Peter Härtlings, der Bücher anstrebte, die „nicht beschwichtigen, sie sollen beunruhigen und wecken“.

Tobias Wagner: Death in Brachstedt. Beltz & Gelberg. 208 Seiten. 14 Euro. Ab 14 Jahren

Info

Buch
Tobias Wagner: Death in Brachstedt. Beltz & Gelberg. 208 Seiten. 14 Euro. Ab 14

Auszeichnung
Der Peter-Härtling-Preis wurde 1983 anlässlich des 50. Geburtstags des Autors von seinem Verlag Beltz & Gelberg ins Leben gerufen. Er wird seither alle zwei Jahre für unveröffentlichte Manuskripte für Kinder- und Jugendbücher ausgeschrieben. Neben dem Preisgeld steht dem von einer fünfköpfigen Jury bestimmten Siegerbuch eine Veröffentlichung in Aussicht.

Buch
Feierlich überreicht wird der Preis in Weinheim in zeitlicher Nähe zum Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 – als Zeichen gegen das Vergessen, in diesem Jahr am 25. Mai in Weinheim. Die Laudatio auf Tobias Wagner hält der Juryvorsitzende Tilman Spreckelsen.