Im Jahr 1962 wurde in Kaltental mit der Jugendfarm Elsental die erste derartige Einrichtung bundesweit eröffnet. Die Blütezeit der Farmen begann ein Jahrzehnt später. Auch heute noch nimmt Stuttgart in Deutschland eine Vorreiterrolle ein.

In diesem Jahr (und in den kommenden Jahren) feiern viele Stuttgarter Jugendfarmen und Aktivspielplätze ihren 50. Geburtstag. Das ist kein Zufall: Die erste Hälfte der 1970er Jahre war eine Blütezeit für derartige Einrichtungen. Viele Impulse gingen damals bundesweit von Stuttgart aus. Der Grundgedanke, dass sich Mädchen und Jungs lieber ihre eigene Welt bauen, als sich auf fertigen Spielflächen aufzuhalten, reicht allerdings noch weitere 40 Jahre zurück. Einer der Urväter dieses Gedankens ist der dänische Landschaftsarchitekt Carl Theodor Sorensen. Auf seine Initiative hin wurde 1943 der erste „Krempelspielplatz“ in Kopenhagen eröffnet.

 

In den 1960er Jahren schwappte die Welle nach Deutschland

Die Idee fand bald Anklang in England, der Schweiz und den Niederlanden, wo in den 1950er Jahren derartige pädagogische Projekte ins Leben gerufen wurden. Nach Deutschland schwappte die Welle erst später – schuld daran waren der Krieg, dessen Folgen und der Wiederaufbau. Erst in den 1960er Jahren war es dann so weit. In Berlin entstand 1967 der erste deutsche Abenteuerspielplatz, in Stuttgart wurde bereits 1962 mit der Jugendfarm Elsental (Stadtteil Kaltental) die erste derartige Einrichtung auf deutschem Boden eröffnet – die es heute noch gibt. Zu verdanken war das der Initiative von Thyra und Edgar Boehm. Die Farm löste seinerzeit in Stuttgart einen Boom aus: Viele Kindern und Eltern aus anderen Stadtteilen waren dort zu Gast und begannen, Pläne für ähnliche Projekte vor der eigenen Haustür zu schmieden – die dann rund ein Jahrzehnt später in die Tat umgesetzt wurden. Zudem wurde 1972 auf der Farm Elsental der Dachverband Bund der Jugendfarmen ins Leben gerufen. Der heißt heute Bund der Jugendfarmen und Abenteuerspielplätze (BdJA) und ist nach wie vor in Stuttgart (im Bezirk Möhringen) zu Hause. Seine sieben Mitarbeiter sind für ganz Deutschland zuständig. „Stuttgart hat nach wie vor eine Vorreiterrolle“, sagt der Geschäftsführer Hans-Jörg Lange. So sei im Vergleich zu anderen Städten und Gemeinden die Finanzierung der Einrichtungen vorbildlich. Auch die Dichte der Farmen und Spielplätze sei hier besonders hoch. 22 Jugendfarmen und Aktivspielplätze gibt es in der Stuttgart, alle sind Mitglied beim BdJA. Zum Vergleich: Bundesweit hat der Dachverband 185 Mitglieder, in Baden-Württemberg sind es gut 60. Träger der meisten Stuttgarter Farmen und Aktivspielplätze sind Vereine, die ehrenamtlich arbeiten und sich vor Ort gegründet haben. Fürs hauptamtliche Personal zuständig ist die Jugendhausgesellschaft. Etwas anders ist laut Simone Beier, der Fachberaterin für das Ehrenamt auf Abenteuer- und Aktivspielplätzen und Jugendfarmen bei der Jugendhausgesellschaft, die Situation beim Stadtteilbauernhof in Bad Cannstatt. Dessen Trägerschaft liegt bei der Jugendhausgesellschaft und der Diakonie.

Ohne Ehrenamt undenkbar

Das pädagogische Grundkonzept an allen Einrichtungen ist die offene Kinder- Jugendarbeit. Vor allem die Niederschwelligkeit des Angebots ist wichtig. „Jeder soll kommen und gehen dürfen, wann und wie er will“, sagt Lange. Die soziale Herkunft, der kulturelle Hintergrund oder die wirtschaftlichen Verhältnisse, aus denen die Kinder stammen, sollen keine Rolle spielen. Themen wie Migration, interkulturelle Verständigung und Inklusion spielen ebenso eine große Rolle. Denn eines scheint klar: Das Motto „Gibt man Kindern eine Hütte, dann machen sie daraus Kleinholz. Gibt man ihnen Kleinholz, dann bauen sie daraus eine Hütte“ hat nichts mit der Hautfarbe, der Herkunft oder der Gesundheit zu tun – und es ist zeitlos. Die Chancen, dass die Stuttgarter Jugendfarmen und Aktivspielplätze noch viele weitere runde Geburtstage feiern können, dürften also sehr groß sein.