Sie sollen Esslinger Jugendlichen eine Stimme geben. Die Vertreter des Jugendgemeinderats stehen für eine junge Politik in der Neckarstadt. Nun wurde das Gremium neu bestellt.
Umdrehen wollte er sich nicht. Denn auf den Stuhlreihen hinter Oliver Appelt saßen viele der jungen Erwachsenen, die sich um einen Sitz im Jugendgemeinderat beworben hatten. „Ihre enttäuschten Gesichter hätte ich nicht ertragen können“, sagt der für das Nachwuchsparlament zuständige Sachbearbeiter im Esslinger Rathaus. Viele der Kandidatinnen und Kandidaten waren bei den Wahlen nämlich nicht zum Zug gekommen. Das hatte die Auszählung der Stimmen im Alten Rathaus ergeben.
Die Rechnung ist einfach. Eine Rekordzahl von 52 Bewerberinnen und Bewerbern war bei der Jugendgemeinderatswahl 2024 angetreten. Insgesamt waren 20 Sitze zu vergeben. Da mussten zwangsläufig 32 Kandidaten in die Röhre schauen. Eine gewisse Frustration wäre da verständlich, meint Oliver Appelt. Aber er zieht den Hut vor der Courage der jungen Erwachsenen. Sie hätten den Mut gehabt, bei dem Urnengang anzutreten, und sie wären bereit gewesen, sich zwei Jahre lang für eine junge Politik in ihrer Heimatstadt einzusetzen. Eine solche Einstellung sei aller Ehren wert, lobt Oliver Appelt. Aber gewählt würden oft junge Erwachsene, die durch Vereine oder andere Aktivitäten einen besonders hohen Bekanntheitsgrad hätten. Außerdem bergen Wahlen eben ein gewisses Unsicherheitspotenzial: „Das ist das Wesen der Demokratie.“
Hohe Wahlbeteiligung
Bei dieser Staatsform treibt aber auch eine gewisse Politikverdrossenheit ihr Unwesen. Eine solche Tendenz kann Oliver Appelt bei den jungen Esslingern indes nicht feststellen. Eine Wahlbeteiligung von über 30 Prozent hatte er im Vorfeld des Urnengangs als großen Erfolg vorgegeben. Diese Marge würde übertroffen. Nun haben sogar 32,03 Prozent der 14- bis 19-Jährigen in Esslingen ihr Kreuz gemacht. Wahlberechtigt waren nach Zahlen der Stadt 5576 Jugendliche, von denen 1786 an die Urnen gingen. Die Zahl der ungültigen Stimmzettel ist mit 29 sehr gering. Bei 1757 Wählenden hat alles geklappt.
Gute Stimmung herrschte denn auch am Wahlabend im Alten Rathaus. Sehr emotional sei es zugegangen, beschreibt Oliver Appelt das Flair im Wahlbüro. Die Vertreter des bisherigen Jugendgemeinderats seien verabschiedet worden – und einige der Ausscheidenden hätten in Erinnerungen an die letzten beiden Jahre geschwelgt. Aber nicht alle müssen ihren Hut nehmen. Einige dürfen ihn aufbehalten: Sieben der bisherigen Mitglieder des Esslinger Jugendgemeinderats hatten sich nochmals zur Wahl gestellt – und alle sieben haben den Wiedereinzug in das Jugendparlament geschafft. Bei aller berufsbedingten Neutralität ist es für Oliver Appelt doch ein positives Zeichen, dass sich das Gremium künftig mit einer Mischung aus Newcomern und erfahrenen Parlamentariern zusammensetzt. Das erleichtere die Arbeit. So könnte auf das Know-how der Altgedienten zurückgegriffen werden.
Schneller Arbeitsbeginn
Doch die Neuen sollen rasch ins parlamentarische Fahrwasser gebracht werden. „Die Arbeit des Jugendgemeinderats startet sehr schnell“, sagt Oliver Appelt. Am Dienstag, 5. November, steht im Sitzungssaal des Alten Rathauses die Verpflichtung der frisch Gewählten durch Oberbürgermeister Matthias Klopfer an. Am Wochenende vom 9. und 10. November begibt sich der „junge Gemeinderat“ in Klausur. Im Rahmen der Einführungstage werden die Mitglieder auf die parlamentarische Arbeit vorbereitet. Viel Zeit, das Gelernte zu verarbeiten, bleibt nicht. Die erste Sitzung steht am Dienstag, 12. November, an. Dann werden auch die Ämter im Gremium neu besetzt. Die bisherigen Vorsitzenden Lotta Raven und Christian Spiegel hatten sich noch einmal aufstellen lassen und konnten in den neuen Jugendgemeinderat einziehen. Ob sie aber weiterhin für eine Führungsposition zur Verfügung stehen, müssen sie noch bekannt geben.
Oliver Appelts Herz ist nach der erfolgreichen Durchführung der Wahl voll Freude. Die Zusammenarbeit mit den Schulen habe wieder bestens geklappt, sagt er. Und ein Grund für die hohe Bewerberzahl und die gute Wahlbeteiligung sei auch die hervorragende Arbeit des „alten Jugendgemeinderats“, der durch viele Aktionen sehr präsent gewesen sei. Ein Tropfen Pessimismus dringt aber doch durch. Ob in zwei Jahren noch einmal 52 Bewerberinnen und Bewerber zusammenkämen, sei fraglich. Er hoffe es. Trotz der enttäuschten Gesichter der 2024 nicht Gewählten.
Der Esslinger Jugendgemeinderat
Wahlen
Der neue Jugendgemeinderat wurde von Donnerstag, 17., bis Mittwoch, 23. Oktober, an allen weiterführenden Schulen in Esslingen bestellt. Wahlberechtigt waren alle 14- bis 19-Jährigen, die seit drei Monaten ihren Hauptwohnsitz in Esslingen haben. Die Nationalität spielt keine Rolle, betont Oliver Appelt.
Mitglieder
Gewählt wurden Ahmet Emin Feyzioglu, Miyaz Ben Abderrahman, Malou Aschenborn, Mia Bärtschi, Leonie Kajkic, Frida Münch, Lotta Raven, Edda Haile, Alice Blessing, Anastasia Zeller, Christian Spiegel, Rosa Mertens, Emily Marx, Gianpaolo Schnabel, Luisa Esposito, Sarah Aschenborn, Sarullah Tajik, Fatima Eser, Tryfonas Dionysopoulos und Burak Kahraman.