Der 18-jährige Hakim, der seine Hände immerzu in den Jackentaschen trägt, träumt von einer Ausbildung bei der Polizei. Vor deren Stand muss er zehn Minuten herumstehen, bis man ihn beachtet. Ein Freund übersetzt: „Hakim will eine Arbeit.“ Der Polizist reicht den Jugendlichen wortlos eine Broschüre mit den Ausbildungsvoraussetzungen. Darunter: mindestens acht Jahre Aufenthalt in Deutschland. Hakim lächelt den Turnhallenboden an. Derweil werden die anderen von einer Hotelvertreterin im Dirndl angesprochen: „Ihr wollt arbeiten, oder? In der Küche, ja? Wir suchen immer Leute, die anpacken können.“ Auf der Rückfahrt reden die Jungs in ihren Landessprachen und ziehen Kopfhörer auf, um mit dem Smartphone Musik aus der Heimat zu hören – Momente wie Inseln, auf denen Erwachsene nichts zu suchen haben. Manchmal halten sie sich dabei an den Händen oder legen die Arme umeinander. Auf der Rückbank sagt Hakim immer wieder ein deutsches Wort: „Polizei.“ Im Heim spielt Milad auf dem Handy Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“, danach persische Lieder. Er ist für die Unterhaltung im Talblick zuständig.

 

Beim großen Saubermachen am Sonntag tragen die Flüchtlinge Badeschlappen, Rock-am-Ring-Shirts, Star-Wars-Jogginghosen. Jeder bekommt 36 Euro Ausstattungsgeld im Monat. Davon kann er sich an Kleidern kaufen, was er will. In Calw gibt es aber nur C&A und Deichmann. Zusätzlich gibt es Taschengeld. Für den 17-jährigen Milad sind es elf Euro in der Woche. Das meiste geben die Jungs für Sprite und Paprikachips aus dem Kaufland aus.

Reis mit Curry und zwei Kilo Bohnen

Zwei Plastikflaschen Rapsöl stehen auf der metallenen Kochinsel. Es gibt Biringe: Reis mit Curry, Tomaten und zwei Kilo Bohnen. Der jüngste Bewohner trägt blaue Plastikhandschuhe zum Unterhemd, rührt gekonnt in zwei Töpfen. Jalal kommt im Rosen-T-Shirt und mit gestylten Haaren herunter. „Gleich kommt Frau Baki, mein Herz“, sagt er. Auf seinem ebenmäßigen Gesicht sind Narben in Größe eines Fünf-Cent-Stücks. Es riecht nach Zitronenreiniger und Männerdeo. Jalal, Milad und Hakim sind längst unruhig geworden, da parkt endlich der silberne VW Touran auf dem Hof. Die Fahrertür geht auf, eine Frau mit korallrotem Haar und schmal gezupften Augenbrauen erscheint vor dem Schwarzwaldpanorama: Bianca Baki, die Hauswirtschafterin. Eigentlich kommt sie nur, um zu kontrollieren, ob die Zimmer ordentlich sind oder ob wieder Obst in den Schubladen vor sich hin schimmelt.