Durch Lockdowns und Zutrittsbeschränkungen taten und tun sich junge Leute schwer, gerichtlich verhängte Sozialstunden abzuleisten. Bei der Mobilen Jugendarbeit auf den Fildern schlagen daher mehr Anfragen auf.

Sillenbuch - Ob Schul-, Laden- oder Sportclub-Schließungen: In den vergangenen Monaten hat Corona jeden irgendwie beeinflusst. Die Mobile Jugendarbeit (MJA) für den Bezirk Sillenbuch merkt auf besondere Weise, welche Auswirkungen die Pandemie haben kann. Nämlich für junge Leute, die von einem Gericht zu Arbeitsstunden verdonnert werden. Sie tun sich bisweilen schwer, irgendwo unterzukommen.

 

Institutionen wie Altenheime sind zu

„Es dreht sich um den Wegfall vieler Einrichtungen, die Sozialstunden ermöglichen“, erklärt Raphael Génevé aus dem sechsköpfigen MJA-Team. Viele gemeinnützige Einrichtungen in kirchlicher oder staatlicher Trägerschaft, wo junge Menschen sonst Sozialstunden auf richterliche Weisung ableisten können, waren oder sind in der Pandemie zu, Altenheime etwa.

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Bei der MJA in Heumaden war indes trotz Corona stets zumindest eine Notfallpräsenz da, erklärt Sarah Koch. „Wir waren auch viel auf der Straße unterwegs, weil wir sonst die Jugendlichen gar nicht erreicht hätten“, sagt sie. Effekt: mehr Arbeitsstunden-Anfragen, etwa 20 statt sonst fünf bis zehn pro Jahr. Nicht alle habe man bedienen können.

Wo die Sozialstunden ableisten?

Anderen Stuttgarter Teams erging es ähnlich, bestätigt der Sozialarbeiter Jonas Stürtz, der als Teamleiter für die MJA in Degerloch, in Vaihingen und auf dem Fasanenhof zuständig ist. „Es war und ist schwierig für junge Menschen, Institutionen zu finden, wo sie Sozialstunden ableisten können“, sagt er. Auch er spricht von merklich mehr Anfragen von Jugendlichen und Heranwachsenden, und so manche habe man ablehnen müssen. „Das führt dazu, dass es manche nicht schaffen in der vorgegebenen Zeit“, sagt Jonas Stürtz.

Es sind Probleme, die nicht nur den Jugendbereich treffen. Über das Projekt „Schwitzen statt sitzen“ vermittelt die Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg vorwiegend Erwachsene, die etwa Geldstrafen, zu denen sie verurteilt wurden, nicht zahlen können, in Arbeitsstunden. „Es ist anhaltend schwierig und bedarf eines größeren Aufwandes, Leute in gemeinnützige Arbeit zu vermitteln“, sagt Sascha Oechsle, der Geschäftsführer. Mitunter müssten die Kollegen bei der Akquise kreativ werden.

Infektionsschutz macht es zusätzlich schwierig

Die Einteilung für gerichtlich angeordnete Arbeitsstunden als erzieherische Maßnahmen bei Jugendlichen und Heranwachsenden übernimmt wiederum in der Regel die Jugendgerichtshilfe. Laut dem Amtsrichter Joachim Spieth ist dies seit Corona aufwendiger, „das ist dem Infektionsschutz geschuldet“, aber nicht unmöglich. „Wir haben hier nicht massenhaft Verfahren auf Halde.“ Man reagiere, indem man den jungen Leuten mehr Zeit einräume.

Trotz aller Schwierigkeiten: „Die Anfragen von Jugendlichen aus dem Stadtbezirk konnten wir weitgehend bedienen“, sagt Raphael Génevé aus Heumaden, zumindest anteilig. Das Team habe sich immer wieder etwas einfallen lassen. Hochbeete oder Terrassenmöbel seien in der Pandemie entstanden, auch zum Holzsammeln sei es gegangen – mit viel Abstand und an der frischen Luft. Als nächstes Projekt soll die Einfriedung ums Gebäude hergerichtet werden. Die Hecke ist löchrig, der Zaun muss erneuert werden. Sarah Koch sieht in solchen Arbeitsstunden eine Chance: „Für uns ist das auch gewinnbringend, wenn wir eine Beziehung aufbauen können durch so ein Projekt.“