Die Jugendratswahlen haben begonnen. Bei einem Ortsbesuch in der Birken-Realschule in Stuttgart-Heumaden und dem Wilhelms-Gymnasium in Stuttgart-Degerloch berichten Wähler und Kandidaten davon, was sie bewegt.

Filder - Sollte es am Ende nicht reichen, will sich die Jugendratskandidatin Marlen Mutter eben auf andere Weise im Jugendrat einbringen. „Es gibt ja auch noch die Möglichkeit, Stellvertreterin zu werden“, meint die 14-Jährige. Keinen Zweifel lässt sie daran, dass Jugendbeteiligung an der Politik genau ihr Ding ist. Ihre Lust, an Veränderungen mitzuwirken, scheint nicht nur bei ihr viel mit der Lage am Degerlocher Wilhelms-Gymnasium zu tun zu haben.

 

Marlen Mutter steht mit den beiden Kandidatinnen Minh Thi Huynh und Eva Gremmelspacher vor dem Wahlbüro in einem Raum des Degerlocher Gymnasiums. Sie alle beschreiben die Raumnöte der Schule als Motivation, sich als Jungpolitiker einbringen zu wollen. Die 15-jährige Eva Gremmelspacher erinnert an die Schülerdemonstration im Oktober vergangenen Jahres. „Mich hat es enttäuscht, dass die Stadt darauf nicht reagiert hat.“ Die drei Schülerinnen wollen deshalb den Druck auf die Stadt aufrechterhalten.

Schüler beklagen die Raumnot an ihrer Schule

Die drei Gymnasiastinnen sind sich sicher, dass das Raumproblem ein Thema ist, das auch Schülern anderer Schulen ein Anliegen ist. „Ich denke gerade an die Fritz-Leonhardt-Realschule“, sagt Gremmelspacher. Eine Schlange an Schülern schiebt sich derweil an den Kandidatinnen vorbei in das Wahlbüro. Alles ist dort wie in einem Wahlbüro bei den Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen. Die Schüler sind in einer Liste vermerkt. Wer älter als 14 ist und aus den Bezirken Degerloch, Möhringen, Sillenbuch oder Stuttgart-Süd ist, darf einen Wahlzettel nehmen und ihn in der Kabine ausfüllen. Dann verschwindet er in der Urne.

Die Zehntklässlerin Carolyn Protner nennt gleichfalls die Raumnot ihrer Schule als Grund, sich an der Wahl zu beteiligen. „Bei uns ist es richtig eng, und es wäre cool, wenn sich daran etwas ändert“, sagt sie. Die Antwort auf die Frage, welche Anliegen ihr sonst wichtig sind, scheint ihr schwerer zu fallen. Sie bespricht sich erst mit ihrer Freundin hinter ihr in der Warteschlange. „Ich finde, dass die Tarife in der Bahn für Jugendliche zu hoch sind“, sagt sie.

Die Bezirksbeiräte Wilfried Seuberth und Michael Köstler sind gemeinsam mit Eberhard Weiss als Wahlhelfer aktiv. „Wir nehmen das genauso ernst wie jede andere Wahl“, sagt Seuberth. Immerhin gehe es darum, junge Menschen an die höchste staatsbürgerliche Pflicht heranzuführen, fügt er hinzu.

Die Schlange vor der Wahlurne sei dabei keine Momentaufnahme. „Die Beteiligung ist besser als an anderen Schulen“, sagt Weiss. In Degerloch und in Sillenbuch wird zu unterschiedlichen Terminen bis 1. Februar gewählt. In Plieningen und Birkach gibt es indes keine Wahlen. Dort hatten sich im Vorfeld nicht genügend Kandidaten gefunden. Die Wahlhelfer sind überzeugt, dass die aus ihrer Wahrnehmung hohe Resonanz auf die Jugendratswahl am Wilhelms-Gymnasium noch gesteigert werden könnte. „Es wäre nicht schlecht, wenn die Jugendlichen länger abstimmen könnten, und wenn alle über 14 an ihrer Schule wählen könnten, egal, aus welchem Bezirk sie kommen“, sagt Michael Köstler.

Stellvertretender Bezirksvorsteher lobt Projektgruppe

Auch an der Birken-Realschule achtet der stellvertretende Bezirksvorsteher Hans Peter-Klein darauf, dass sich nur Jugendliche aus dem Bezirk einen Wahlschein nehmen. Er gibt sich zuversichtlich, dass es im Bezirk Sillenbuch eine gute Wahlbeteiligung geben wird. Das habe viel mit der Projektgruppe Jugendrat zu tun, sagt er. Sie hat sich gebildet, als es bei der vergangenen Jugendratswahl zu wenig Kandidaten für einen Urnengang gab. „In der Projektgruppe saßen tolle junge Leute. Sie haben intensiv für die Wahl geworben. Deshalb bin ich optimistisch“, meint Klein.

Im Vergleich zum Wilhelms-Gymnasium erscheint der Andrang vor dem Wahlbüro in der Birken-Realschule geringer zu sein. Diejenigen, die ihre Stimme abgeben, betonen, dass sie sich gut informiert fühlen über den Jugendrat. Der 16-jährige Daniel Haidle findet, dass Jugendliche bessere Ideen hätten als Erwachsene, wenn es um die Entwicklung der Stadt geht. „Zum Beispiel wäre mir freies WLAN an öffentlichen Plätzen wichtig“, sagt er.

Der Zehntklässler Samuel Epperlein hat wenig Verständnis für Jugendliche, die nicht wählen gehen. „Ich kenne einige, denen das egal ist. Aber Mitbestimmung ist doch wichtig“, sagt er.