Ein alter CIA-Bericht legt die Vermutung nahe, dass Tito, legendärer Staatschef des untergegangenen Jugoslawien, gar kein Spross des Vielvölkerstaats gewesen sei. Auf dem Balkan regt sich über diese Enthüllung Wut – und Spott.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Schon vor mehr als drei Jahrzehnten ist Jugoslawiens legendärer Staatschef Josip „Tito“ Broz verblichen. Doch ein nun frei gegebenes CIA-Dokument von 1977 hat die Spekulationen über die Herkunft des Partisanenführers neu entfacht. Der Verfasser kam nach der Analyse einer Tito-Rede zu dem Schluss, dass der Staatenlenker mit „ausländischem Akzent“ spreche und „kein Jugoslawe“ sei: Tito sei vermutlich Pole oder Russe – und wahrscheinlich Ende der 30er Jahre gegen den echten, 1892 im kroatischen Kumrovec geborenen Josip Broz ausgetauscht worden.

 

Tatsächlich gibt es vor allem in nationalistischen Kreisen Serbiens und Kroatiens schon lange antisemitisch angehauchte Theorien, dass Tito ein außerehelicher Spross eines polnischen Offiziers, eines reichen Juden oder eines Habsburger-Prinzen gewesen sei. Trotzdem stoßen die CIA-Erkenntnisse über Tito in dessen Heimat überwiegend auf Widerspruch – und Spott.

CIA-Erfolg

Broz habe so gesprochen wie noch heute die Menschen in seiner Heimatregion Zagorje, versichert der kroatische Linguist Zeljko Jozic. Wie einst Tito falle es diesen Bewohnern noch immer schwer, sich die „Standardsprache“ anzueignen. Tito sei kein Russe gewesen und habe Russisch trotz seiner Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg und seines kolportierten Gastspiels bei der Roten Garde während der Oktoberrevolution nur „sehr schlecht“ gesprochen, beteuert Andrej Tarasjev, Professor für russische Kultur. Tito sei kein Pole gewesen und habe Serbokroatisch weder mit polnischem Akzent noch Intonierung oder Sprachmelodie gesprochen, versichert die Belgrader Polnischprofessorin Mirjana Golubicic Kostic.

Mit der „nichtjugoslawischen“ Herkunft Titos erklärt der CIA-Bericht dessen „Erfolg“ beim Bemühen, den Vielvölkerstaat zusammenzuhalten. Spöttisch reagierte die Enkelin Sasa Broz auf die Geheimdiensterkenntnisse. Sie danke dem CIA für die Anstrengungen, die wahre Herkunft ihres Opas zu enthüllen, ließ sie per Facebook wissen. Doch mit Bedauern müsse sie bekennen, dass ihr Großvater „nicht existiert“ habe, sondern nur „das Produkt einer hypnotisierten Masse“ gewesen sei: „Und es gibt auch Beweise, dass ich eine Brasilianerin aus Kamtschatka bin – und mit besagtem Tito nichts zu tun habe.“