Nach dem Umzug des Münchner Elefanten Ludwig von der Isar an den Neckar ist das Quartett der Jungbullen wieder komplett. Die Wohngemeinschaft der jungen Elefantenbullen im Heidelberger Zoo gibt es seit fünf Jahren.

Heidelberg - Die Hörer des Bayrischen Rundfunks haben ihn 2011, kurz nach seiner Geburt im Münchner Tierpark Hellabrunn, zum „süßesten Zoo-Baby Bayerns“ gewählt. Inzwischen ist aus dem kleinen Ludwig, genannt „Wiggerl“, ein aufmüpfiger, halbwüchsiger Elefanten-Teenager geworden. Vor ein paar Wochen hieß es für ihn daher Abschied nehmen von seiner Kinderstube, seiner Mutter Temi und seinen Tanten der Münchner Herde: Von der Isar ist der kleine Ludwig kurz nach seinem vierten Geburtstag im Mai an der Neckar gezogen und lebt nun im Zoo in Heidelberg. Dort hat man vor fünf Jahren im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) für Asiatische Elefanten eine deutschlandweit einmalige Gruppe für junge Bullen eingerichtet, in der die halbstarken Dickhäuter – ähnlich wie in freier Wildbahn – unter etwa gleichaltrigen Artgenossen heranwachsen können bis sie alt genug sind, um andernorts eine Zuchtgruppe zu übernehmen.

 

In Hellabrunn, so konnte man zu seinem Abschied in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen, habe Ludwig seine Mutter und die Tanten in jüngster Zeit immer öfter mit seinen kleinen Stoßzähnen gepiekst. „Ruhig war er nie“, sagt der Heidelberger Zoodirektor Klaus Wünnemann, zuletzt habe er seine Umgebung „schon etwas tyrannisiert“; daher sei es Zeit gewesen für den Umzug. Sein bisheriger Pfleger hat den jungen Ludwig nach Heidelberg begleitet. „Er war immer ein pfiffiges Kerlchen“, sagte der bei der Ankunft. „Hier kann er alles lernen, was er braucht, um sich in einer größeren Herde zum Oberhaupt zu entwickeln“.

Der neunjährige Gandhi ist momentan der Leitelefant

Der Platz in der Heidelberger Anlage, die insgesamt vier Tieren Raum bietet, war frei geworden, nachdem Anfang Mai der bisherige Leitbulle der Gruppe mit 13 Jahren in seinen Heimatzoo Leipzig zurückgekehrt ist. Seither führt der neunjährige Gandhi die Rangordnung an. Ludwig, immerhin auch schon 1,7 Tonnen schwer, ist das Nesthäkchen und komplettiert das Quartett der „Jungen Wilden“. Allem Anschein nach hat er sich schnell eingelebt.

„Er ist putzmunter, kein Sensibelchen, sondern schon sehr robust und selbstbewusst“, beschreibt die zuständige Kuratorin Sandra Reichler ihren neuen Schützling. Zwar hält er meist noch respektvoll Abstand zum durchsetzungsfähigen und deutlich stärkeren Gandhi; mit seinen beiden andern Mitbewohnern, dem harmoniebetonten Tarak (9) und Yadanar, der im Juli sechs Jahre alt wird, hat er sich aber schon angefreundet und – mit dem jüngeren Kumpel – sogar schon das Nachtlager geteilt. „Er funktioniert gut in der Gruppe, man sieht von Tag zu Tag, wie er sich besser integriert“, erklärt Reichler.

Die Zoo-Haltung von Elefanten gilt traditionell als schwierig

Die Zoo-Haltung von männlichen Tieren in der vom Matriarchat geprägten Welt der Elefanten galt und gilt noch immer als schwierig. „Unter Zoodirektoren gibt es den Spruch: wenn es einem Kollegen zu gut geht, schafft er Elefanten an – und wenn er besonders verrückt ist, einen Bullen“, verrät Wünnemann. Auf der anderen Seite gehören Elefanten neben Großkatzen und Großaffen überall auf der Welt zu den Hauptattraktionen eines Zoos und sind häufig die Lieblinge der Besucher.

In Heidelberg haben vor ein paar Jahren die Tierpfleger die Initiative zum Aufbau der Jungbullen-Gruppe gestartet. „Die Attraktivität hat dabei wirklich nicht im Vordergrund gestanden“, versichert der Zoodirektor. „Sie waren neugierig, sie wollten die Herausforderung“. Man habe überlegt, was man im Rahmen des Zuchtprogramms machen könne und das Experiment nach entsprechender Vorbereitung und fachlicher Verstärkung in Angriff genommen. Bei der Haltung setzte man dabei auf das Konzept des geschützten Kontakts, bei dem mit Belohnung, nicht mit Druck gearbeitet wird.

Die Pfleger achten darauf, dass die Tiere Abwechslung haben

Die Pfleger betreuen die Tiere zwar intensiv, halten aber zugleich Abstand und gehen nicht unmittelbar zu ihnen auf die Anlage. Zum Konzept gehört es, möglichst viel Abwechslung zu schaffen: das Futter wird in Röhren und Tonnen versteckt, um ihre Kräfte zu erproben bekommen die Tiere neben Heu und Obst auch dicke Äste zu fressen, die sie zerlegen müssen. Es gibt Sandhaufen und einen Wasserspielplatz – sowie ein regelmäßiges Training von der anderen Seite des Gitters aus – etwa für die Fußpflege oder eine Blutabnahme.

Die Bilanz des Zoos nach fünf Jahren ist rundum positiv. „Die Entscheidung für den Aufbau der Gruppe war in Nachhinein betrachtet gut, wir haben sie nicht bereut“, sagt Wünnemann. „Wir haben mit den jungen Elefanten sehr aktive Tiere auf der Anlage, sie machen viel, sind ständig in Bewerbung. Das heißt, es gibt viel zu sehen und zu beobachten“, berichtet er. „Rangauseinandersetzungen finden zwar statt, sie sind aber auch rasch entschieden und die Tiere machen nach bisherigen Erfahrungen viel weniger Probleme, als wir gedacht haben – sowohl im Umgang untereinander wie mit den Pflegern“. Dies bestätigen auch erste Forschungsarbeiten mit den Heidelberger WG-Bewohnern. Sie widerlegen die gängige Vorstellung wonach männliche Elefanten einzelgängerisch und unsozial sind. „Die Elefantenbullen sind besser als ihr Ruf, zumindest die jungen“, fasst Wünnemann seine Erfahrungen zusammen.

Allmählich kommt die Elefantenzucht in Fahrt

Die Zucht von Elefanten in Zoos läuft europaweit immer besser. Da die männlichen Tiere aber im Alter von etwa vier bis fünf Jahren aus ihrer Geburtsgruppe herausgedrängt werden und noch zu jung sind, um von den Kühen als Partner akzeptiert zu werden, wächst auch die Nachfrage nach Plätzen für junge Bullen. In Heidelberg hat man 2011 eine eigene Gruppe aufgebaut, die den Tieren eine möglichst artgerechte Sozialstruktur bieten soll. Die Anlage ist 2010 neu gebaut worden. Sie ist 2000 Quadratmeter groß und bietet Platz für maximal vier Tiere. Zur Ausstattung gehören eine heizbare Halle mit einer Aussichtsplattform für Besucher und Schlafboxen für jedes Tier sowie ein Freigehege mit viel Sand, Felsen und einem Pool zum Baden.

Der Heidelberger Zoo ist von April bis September täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet, im März und Oktober schließt er bereits um 18 Uhr, von November bis Februar schon um 17 Uhr. Die beste Zeit für Besucher, alle Elefanten gemeinsam auf der Außenlage zu treffen, ist der frühe Nachmittag von 13 Uhr an. Feste Fütterungszeiten gibt es für die jungen Dick-häuter nicht.