Berufseinsteiger fühlen sich oft nicht ausreichend gefördert und bestätigt, zeigt eine aktuelle Studie. Das könnte fatale Folgen für die Wirtschaft haben: Denn die jungen Leute wechseln im Zweifel einfach den Job.

Sie gelten als selbstbewusst, gut ausgebildet, weltgewandt – und als ständig auf der Suche nach dem Sinn: Junge Menschen der sogenannten Generation Y – der Generation der Um-die-dreißig-Jährigen. Derjenigen, die zwischen 1980 und 1995 geboren wurden. Viel geschrieben wurde in der Vergangenheit über diese jungen Menschen, viel gemutmaßt über ihre unzähligen Möglichkeiten, ihre angebliche Ichbezogenheit und ihr übersteigertes Selbstbewusstsein. Inzwischen ist die Generation auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Die meisten der jungen Menschen haben studiert, waren im Ausland, haben sich durch schlecht bezahlte Einstiegsjobs, Traineeships und unbezahlte Praktika gekämpft, ein paar Jahre Berufserfahrung gesammelt. Hatten große Erwartungen, an sich, den Job, die Zukunft. Wohl zu große: Denn nun zeigt eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft Deloitte: Sind sie einmal im Arbeitsmarkt, scheinen Ypsiloner schnell unzufrieden, mitunter gar überfordert – und suchen sich lieber einen neuen Job.

 

So ein Beispiel ist Andreas Große (Name geändert). Der 28-Jährige arbeitet seit ein paar Monaten bei einem großen deutschen Industriekonzern in der externen Kommunikation. Und ist unzufrieden. Die Arbeit empfindet er als nicht erfüllend, oft sinnlos. Eigene Ideen könne er kaum einbringen. „Das ist nicht gefragt“, sagt der junge Mann. Für viele Aufgaben fühlt er sich überqualifiziert, werde kaum gefordert – und zu wenig gefördert. Nicht umsonst habe er schließlich an großen europäischen Unis im In- und Ausland studiert, sagt er. Trotzdem macht er alles, klaglos. Und ärgert sich, dass seine Arbeit nicht einmal anerkannt wird. Also sucht er nach einem neuen Job. Will so schnell wie möglich etwas finden, wo er sich einbringen kann.

Junge Berufseinsteiger sind nicht bereit, sich lange zu binden

Knapp 34 Prozent der befragten Berufseinsteiger in Deutschland wollen laut der Studie „Deloitte Millennial Survey 2016“ in den kommenden zwei Jahren ihre Firma verlassen, mehr als die Hälfte davon planen den Ausstieg schon früher. „Die Generation Y ist eine sehr wechselbereite Generation: Sie ist nicht mehr bereit, sich lange an ein Unternehmen zu binden“, sagt Nicolai Andersen, Leiter Innovation bei Deloitte. Als Grund für die Unzufriedenheit geben knapp die Hälfte der Befragten Überforderung am Arbeitsplatz und mangelnde Förderung durch Führungskräfte an, heißt es in der Studie. Vielleicht habe man der Generation zu viel zugemutet, sagt Andersen. Schließlich gebe es eine enorme Verkürzung der Ausbildung, die Arbeitsbedingungen seien oft verunsichernd und das Bedürfnis nach Bestätigung habe zugenommen.

Und noch etwas scheint typisch zu sein: „Zum einen wollen die jungen Berufstätigen Abwechslung im Job. Zum anderen wollen sie mit dem, was sie tun, auch ein bisschen die Welt retten. Sind diese Punkte nicht erfüllt, wechseln sie den Job“, erklärt Andersen. Im Zweifel trotz hoher Gehälter. Denn: 90 Prozent der Befragten motiviert laut der Studie die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit am meisten, beim aktuellen Job zu bleiben. Und ein Drittel der jungen Berufstätigen trifft Entscheidungen am Arbeitsplatz überwiegend entsprechend den eigenen Moralvorstellungen. Doch genau das sei auch ein Grund für die Unzufriedenheit im Job, sagt Andersen: „Bekommen diese Leute das Gefühl, dass sie nichts bewegen können oder dass das Unternehmen keinen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistet, werden sie unzufrieden.“

Ansprüche an Arbeitgeber wachsen

Mit diesen Bedingungen wachsen auch die Ansprüche an Arbeitgeber und Führungskräfte – denn der Kampf um gut ausgebildete Fachkräfte ist schon jetzt kein leichter. „Wer der Generation Y keine Aufstiegschancen bieten kann, wird seine Mitarbeiter nicht halten können“, sagt Andersen. Und fordert von den Unternehmen, den jungen Menschen mehr zu bieten: Projektbezogeneres Arbeiten sei beispielsweise zielführend. Flexible Rahmenbedingungen und Arbeitszeiten, Mitgestaltungsmöglichkeiten anstelle von Statussymbolen wie Boni oder einem Dienstwagen. Schließlich ist die Generation Y (auf Englisch ausgesprochen: why – warum) auch bekannt für ein hohes Bedürfnis nach Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie, nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Arbeitgeber müssten den Berufseinsteigern daher „mehr Freiheiten, aber auch mehr Sicherheit und Förderung bieten“. Denn – auch das zeigt die Deloitte-Studie: Mehr als 60 Prozent derjenigen, die ihr Unternehmen in den nächsten zwei Jahren verlassen wollen, fühlen sich nicht auf Führungspositionen vorbereitet. Ihnen fehlt es offensichtlich an der nötigen Unterstützung im Job.

Auch Andreas Große hat das Gefühl, bei seinem Arbeitgeber nicht vorwärtszukommen. Dabei gäbe es in seinem Arbeitsbereich durchaus passendere Tätigkeiten – die dann allerdings lieber an ältere Kollegen abgegeben werden oder unbearbeitet bleiben. „Die Tatsache, dass die Chefs die Stellen lieber zeitweise unbesetzt lassen, sich aktiv nach anderen Leuten umschauen und mich damit völlig außen vor lassen, ist ein Schlag ins Gesicht“, sagt Große. In der Position, etwas einzufordern, fühlt er sich als Neuling aber nicht. Also hofft er auf einen neuen Arbeitgeber. Einen, der zugleich auch Coach ist, ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Einen, „der mir den Raum lässt, meine Arbeit selbstständig aufzuteilen, der mich machen lässt“.

Die Motivation hängt stark von der Wertschätzung ab

Tatsächlich laufe in vielen Unternehmen noch so einiges falsch für junge Berufseinsteiger, sagt Michael Haller, Wissenschaftler an der Hamburg Media School. Genau das sorgt wohl auch für die enttäuschten Erwartungen der Berufseinsteiger: Die Arbeitsweisen passen kaum zum teamorientierten, vernetzten Arbeiten der mit dem Internet groß gewordenen Generation. „Zu viel wird noch klassisch von oben nach unten bestimmt – damit können junge Leute aber nicht umgehen.“

In seinem Buch „Was wollt ihr eigentlich?“ fragt Haller nach den Erwartungen der sogenannten Digital Natives. Und findet: Den Ypsilonern müsse man etwas zutrauen, sie selbst organisieren lassen, am besten kollaborativ, in Projektgruppen. Lieber Ziele statt Vorgehensweisen definieren. Und ständig Wertschätzung signalisieren – denn davon hänge die Motivation der Berufseinsteiger stark ab. „Man muss diese Menschen für eine Sache gewinnen“, sagt Haller – und damit für das eigene Unternehmen. „Gelingt das, identifizieren sich die jungen Leute damit und sind dann auch bereit, sich für die Arbeit die Nächte um die Ohren zu schlagen.“ Unsichere Arbeitsverhältnisse, kurze, befristete Verträge, lange Arbeitszeiten – „all das nehmen die jungen Leute dann zumindest übergangsweise in Kauf“, sagt Haller.