Karolina Halbig probt seit gut einem halben Jahr mit dem Nachwuchschor vom Liederkranz Möhringen und sorgt auf unnachahmliche Weise für Schwung in den Proben.

Möhringen - Karolina Halbig ist nur wenige Jahre älter als der Chor, den sie seit September leitet und auch ihre Schützlinge sind durch die Bank älter als sie. Die 26-jährige Studentin hat aber keinerlei Scheu, die Mitglieder der Local Vocals in intensiven Proben musikalisch anzuleiten und auch beim Stammtisch nach der Probe in der benachbarten Gaststätte Anno 1897 empfindet sie sich nicht als zu jung. Das liegt vor allem an der ansteckenden Begeisterung, die sie am Klavier und beim Dirigieren vermittelt. Karolina Halbig und die Local Vocals proben erst seit gut einem halben Jahr miteinander, und schon ist spürbar, dass Dirigentin und Chor ein Herz und eine Seele sind.

 

Die Nachwuchsabteilung des Liederkranzes Möhringen wurde 1996 gegründet. Sie probt regelmäßig dienstags im Bürgerhaus. Gesungen wird fast ausschließlich auf Englisch, die Literatur kommt aus der Pop- und Gospelmusik. Doch die Version von „Right Here Waiting For You“ von Richard Marx, einem Heuler, der jedem Zuhörer irgendwie bekannt vorkommt, wird bei Karolina Halbig zu einer kleinen Kostbarkeit, die sie behutsam – und vor allem nicht kitschig – am Klavier begleitet. Ihre Vorgängerin Lara Lübbe hatte die Leitung abgegeben, als es an die Familiengründung ging. Für eine Weile konnte Burkard Miller, der Leiter des Liederkranzes, auch die Arbeit mit den Local Vocals übernehmen, doch er fand, das sei eigentlich eine Aufgabe für Jüngere. So gab es einen Aushang an der Stuttgarter Musikhochschule, der Karolina Halbig gerade recht kam.

Chor und Chorleiterin haben sich gesucht und gefunden

„Ich war zu der Zeit selbst auf der Suche nach einem Chor“, erzählt die junge Frau aus Unterfranken. Sie ist in einem Dorf in der Nähe von Kissingen in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Der Großvater mütterlicherseits war Chorleiter im Gesangsverein und dirigierte die Blaskapelle. Das, sagt Halbig, habe sie sehr geprägt. Mit fünf Jahren gab es den ersten Klavierunterricht. Karo, wie sie von allen genannt wird, war Mitglied im örtlichen Jugendchor. Zusätzlich zum Unterricht an der Orgel machte sie den D- und C-Schein für Kirchenmusik und nahm Gesangsunterricht. „Dann konnte ich die weibliche Hauptrolle im Musical ‚Footloose’ singen“, erzählt sie von einem einschneidenden Erlebnis in ihrem Musikerleben.

Kirchenmusik und Korrepetition

Nach dem Abi studierte Karolina Halbig in Würzburg Schulmusik, Hauptfach Gesang und Klavier. Aber nach dem ersten Staatsexamen lockte die Schule noch nicht so recht, und deshalb setzt sie seit Sommer 2017 ihre Ausbildung an der hiesigen Musikhochschule fort, wo es das Fach Korrepetition gibt. Die nötigen praktischen Erfahrungen dafür hat sie schon länger vorzuweisen: In Würzburg leitete sie einen Studentenchor mit 80 Mitgliedern, der vor allem Gospel im Programm hatte. Damals, sagt sie, habe sie gelernt, vor einer großen Gruppe zu stehen und Stimmbildung mit einzelnen Sängern zu machen.

Bei der Probe herrscht ein lockerer Ton

Mit 25 bis 30 Mitgliedern sind die Local Vocals ein eher kleiner Chor, bei der Probe herrscht ein lockerer Ton, aber Karolina Halbig ist ganz klar die Chefin. „Wir machen den Bonbonmund, und dann den Affen, und dann: entspannen“, so leitet sie die Probe an diesem Abend ein. Der Popsong klingt schon recht gut, doch an einer Stelle hakt es noch leicht. „Wie kriegen die Männer ihren Ton?“, überlegt sie laut, „am besten, wir üben so lange, bis Ihr ihn Euch merken könnt“ – sprichts und greift schief und schräg in die Tasten des Klaviers, um die Sänger zu verwirren. Geduldig probt sie auch mit dem gesamten Ensemble die richtige englische Aussprache und dann soll der Chor in die Hände klatschen – keine einfache Übung, aber fast genauso wichtig wie das Singen.

König der Löwen oder Rammstein?

Viel Zeit nehmen sich die Local Vocals für ein einziges Lied, aber das intensive Üben lohnt sich. Weil wie in so vielen Chören die Männerstimmen fehlen, sind manchmal nur die Frauen in Sopran, Alt und Mezzo unterteilt. Die meisten Mitglieder sind Ende 20, Anfang 30, der älteste 58 Jahre alt. Für sie sind Popsongs wie „Africa“ von Toto oder das ungleich kompliziertere „Free Your Soul“ genau das richtige Repertoire. Karolina Halbig selbst möchte künftig gerne mehr Musical-Melodien einfließen lassen. Ein „König der Löwen“- Medley vielleicht? Ihre Sänger haben sich „Engel“ von Rammstein gewünscht. „Beides sind ziemliche Hämmer“, sagt sie.

Eigentlich wären die Local Vocals auch für Teenager geeignet. „Die orientieren sich halt mehr an Filmen wie ‚Glee’ und ‚Pitch Perfect’ oder an A-capella-Gruppen wie Maybebop“, sagt Karolina Halbig. Deren anspruchsvollen Arrangements sind durchaus für Laienchöre wie diesen umsetzbar und selbst in einer vereinfachten Form immer noch interessant. Zudem gibt es gemeinsame Projekte mit dem Stammchor, da darf es dann auch mal Bachs Weihnachtsoratorium sein.

Sie macht die Ohren auf

Wer bei den Local Vocals mitmachen will, muss die Hürde des Vorsingens nicht überwinden. „Aber ich mache schon die Ohren auf“, sagt Karolina Halbig. Man sollte die Töne treffen können, sonst mache es keine Freude. „Dabei ist es ganz wichtig, dass derjenige, der vorne steht, selbst Spaß hat“, sagt sie voller Überzeugung.