Die Sunniten in Baden-Württemberg wollen eigenen Religionsunterricht an den staatlichen Schulen. Das jetzige Angebot sei lediglich Islamkunde. Die Integrationsministerin zeigte sich offen für den Vorschlag.

Stuttgart - Die Sunniten sind wie überall in Deutschland auch in Baden-Württemberg die weitaus größte Gruppe der Muslime. 50 Jahre seien sie nun im Land, sagt ihr Interessenvertreter, Erdinç Altuntas vom Ditib-Landesverband in Stuttgart. Nun wollen sie gleiche Rechte und Pflichten und einen Dialog auf Augenhöhe. „Natürlich ist der Islam ein Teil Deutschlands“, das ist für Altuntas gar keine Frage.

 

Nach der Sitzung des Runden Tisches Islam, den die Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) regelmäßig einberuft, gab Altuntas gestern bekannt, dass die Sunniten als Religionsgemeinschaft anerkannt werden wollen und dass sie sich für bekenntnisorientierten Sunnitischen Religionsunterricht an den Schulen stark machen. Die Anträge lägen bereits beim Kultusministerium. Das jetzige Angebot an den Schulen betrachten die Sunniten lediglich als Islamkunde, nicht als bekenntnisorientierten Religionsunterricht.

Als der Unterricht eingeführt wurde, gab es den Landesverband der Ditib noch gar nicht. Er besteht im Südwesten erst seit vier Jahren. Wäre die Religionsgemeinschaft als solche anerkannt, könnte sie in Zukunft wie eine Kirche als Ansprechpartner des Landes für die Inhalte der Lehrpläne fungieren.

Aufklärung durch Religionsunterricht

Religionsunterricht betrachten die Verbände als unverzichtbar für die rund 70 000 muslimischen Kinder im Südwesten. „Religionsunterricht leistet viel Aufklärungsarbeit“, er trage zum gegenseitigen Verständnis bei, betonte Mouhanad Khorchide, der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Uni Münster. Er plädiert für ein Nebeneinander von staatlichen Schulen und Moscheen.

„Es geht nicht darum, die Kinder aus den Moscheegemeinden herauszuholen“, sagte der Professor nach dem Treffen des Runden Tisches. Eines schließe das andere nicht aus. „In der Moschee lernt man den Koran auswendig, in der Schule lernt man, wie man ihn auslegt“, veranschaulichte der Theologe. Es gehe darum, Lehrer und Imame an einen Tisch zu bringen. So sieht es auch die Ditib. „Religionsunterricht ist keine Alternative, er ist eine Ergänzung. In der Schule lernt man Religion, in der Moschee lebt man sie“, erklärt Altuntas.

Landesregierung offen für den Vorschlag

Bilkay Öney kündigte an, der Runde Tisch werde sich bei seiner nächsten Sitzung im Detail mit islamischem Religionsunterricht befassen. Bei der Landesregierung sei der politische Wille da, Bekenntnisunterricht einzuführen. Gerade die Jugend sei für eine gelingende Integrationsarbeit wichtig, betonte die Ministerin. In der Jugendarbeit wolle man die Verbandsarbeit strukturell besser organisieren und die Ehrenamtlichen besser unterstützen, kündigte die Ministerin an. Es sei unstrittig, dass Migrantenorganisationen „selbstverständlicher Teil der Jugendarbeit werden sollen“.

Von den zehn Millionen Baden-Württembergern sind rund 700 000 Muslime. Die Verbände schätzen, dass etwa 75 Prozent von ihnen Sunniten sind. Ihr Interessenverband Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) zählt nach Angaben ihres Vorsitzenden im Südwesten 42 000 Mitglieder.

Im Rahmen eines Schulversuches wurde nach langer Diskussion im Schuljahr 2006/07 an zwölf Grundschulen in Baden-Württemberg ein islamischer Religionsunterricht eingeführt. Inzwischen sind es 20 Grundschulen und sechs Hauptschulen, die die sunnitische Glaubensrichtung unterrichten, 32 Schulen erteilen nach Angaben des Integrationsministeriums in Stuttgart alevitischen Religionsunterricht.