Der Fußballlehrer Marco Pezzaiuoli ist mit dem U-19-Nachwuchsteam des chinesischen Fußballclubs Guangzhou Evergrande erstmals beim Juniorcup in Sindelfingen dabei. Das ist für die Asiaten ein besonderes Erlebnis – nicht nur, weil in der Halle gespielt wird.

Sindelfingen - In Chinas Fußball kommt an Guangzhou Evergrande keiner vorbei. Das gilt für die Profis wie für die meisten Nachwuchsteams. Deshalb klingt es fast lustig, wenn Marco Pezzaiuoli erzählt, er habe dem U-19-Nachwuchs seines Clubs erklären müssen, wie Hallenfußball geht. „Hey, hier gibt es kein Abseits“ rief der 47-Jährige im Glaspalast in Sindelfingen beim Training. Dass der Nachwuchs des fünfmaligen chinesischen Meisters und zweimaligen Gewinners der asiatischen Ausgabe der Champions League als 99. Mannschaft beim Mercedes-Benz-Juniorcup 2016 antritt, ist also eine neue Erfahrung für die jungen Kicker aus dem Reich der Mitte. „Wir sind hier, um zu lernen und neue Erfahrungen zu machen“, sagt Evergrandes Nachwuchskoordinator Pezzaiuoli.

 

Fußball ist in China zwar seit einigen Monaten Teil eines staatlichen Förderprogramms, aber einem solch gigantisch großen Land eine „neue“ Sportart zu verordnen dauert seine Zeit. Bisher wurde vor allem Tischtennis und Basketball gespielt, geturnt und geschwommen. Deshalb passen Pezzaiuolis Aussagen noch nicht zu dem ehrgeizigen Ziel, das auf dem roten Trainingsanzug des Fußballlehrers prangt. Über einem kraftstrotzenden Löwen steht die Clubphilosophie in großen Lettern: „Be The Best Forever“, was so viel heißt wie „Sei für immer der Beste“.

Akademie mit 3000 Nachwuchsfußballern

Evergrande gilt als das Bayern München Chinas. Größer und reicher als alle anderen. Immerhin leistet man sich neben teuren ausländischen Profis, einer gigantischen Akademie mit 3000 Nachwuchsfußballern auch den ehemaligen brasilianischen Nationaltrainer Felipe Scolari als Cheftrainer der Profimannschaft.

In Sindelfingen beim Juniorcup ist Pezzaiuolis Nachwuchsteam eher der exotische Außenseiter. Es ist davon auszugehen, dass die Kicker von Manchester United, dem VfL Wolfsburg, Schalke 04, 1899 Hoffenheim und des VfB Stuttgart schon wussten, „dass man nicht jeden Gegner einfach laufen lassen darf, weil der ja im Abseits steht“ (Pezzaiuoli). „Für uns ist das etwas Besonderes, bei einem solchen Turnier dabei zu sein, bei den Besten der Welt.“

Weil man in China erkannt hat, wie wichtig Nachwuchsarbeit ist, wenn man irgendwann Weltmeister werden will, ist Pezzaiuoli da. Obwohl es für ihn als Cheftrainer der Bundesligaprofis bei der TSG Hoffenheim 2011 alles andere als gut funktioniert hat, ist der Ruf des Mannheimers im Trainergeschäft (vor allem in der Nachwuchsarbeit) exzellent. So klingelte eines Tages das Telefon und die von Guangzhou Evergrande beauftragten „Headhunter“ präsentierten einen Vertrag.

Fußball ist in China noch eine Randsportart

Hallenfußball in China zu fördern gehört aber nicht zu den Hauptaufgaben des Nachwuchschefs Pezzaiuoli. Der hat genug damit zu tun zu vermitteln, worum es im Freien geht. „Fußball ist noch eine Randsportart, die enorm und schnell wächst, aber das dauert“, sagt er. Und das, obwohl alle großen Clubs der Welt längst die Möglichkeiten entdeckt haben, die Chinas Markt bietet, und auf rasant steigende Umsätze im Merchandisinggeschäft setzen.

Pezzaiuoli ist einer aus der Riege der Entwicklungshelfer. „In China musste man erst einmal verstehen, dass es im Jugendfußball nicht um kurzfristige Erfolge gehen kann. Aber das Land ist offen für Neues und sehr zielstrebig“, sagt der Ex-Hoffenheimer, der zuvor in Japan und Korea gearbeitet hat. Nun ist er bei einem Turnier gelandet, das als Sprungbrett gilt, weil 27 Teilnehmer später deutsche Nationalspieler wurden. Nicht nur das ist neu: In Sindelfingen sind die Spieler in Zweibettzimmern untergebracht, in Evergrandes Akademie müssen sie sich zu sechst den Raum teilen.