Der Staatsgerichtshof lässt das Veto des Freiburger Arbeitsrechtlers Manfred Löwisch zur Volksabstimmung zu Stuttgart 21 nicht zu.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Stuttgart - Die Klage des Freiburger Juristen Manfred Löwisch gegen die Volksabstimmung über Stuttgart 21 wird nicht vor dem Staatsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen. Dies hat das höchste Verfassungsgericht des Landes am Montag ohne mündliche Verhandlung entschieden und zugleich den Antrag eines Rechtsanwaltes auf "vorbeugende Volksabstimmungsanfechtung" abgelehnt. Der emeritierte Rechtsprofessor sei nicht klageberechtigt, weil es sich um ein "Organstreitverfahren" handle, in dem nur Regierung, Landtag oder Fraktionen des Landtages Kläger sein könnten.

 

Der Arbeitsrechtler Löwisch hatte moniert, "das zur Volksabstimmung gestellte Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 verstößt gegen den in Art. 45 Abs. 1 der Landesverfassung festgelegten Grundsatz, dass die Regierung die vollziehende Gewalt ausübt". Die Landesregierung dürfe nicht, weil sie "zu feige oder zu zerstritten sei", die Entscheidung über die Kündigung der Verträge dem Wahlbürger zuschieben und sich hinter dem Stimmergebnis verstecken.

 Löwisch fühlt sich klageberechtigt

Der gescheiterte Kläger aus Südbaden ist bisher mehr als Interpret des Rechts und profilierter Anwalt der Arbeitgeberseite in arbeitsrechtlichen und Tariffragen in Erscheinung getreten. Wolfgang Löwisch, geboren 1937 in Jena, war Professor an der Universität Freiburg für Bürgerliches, Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialversicherungsrecht. Parallel dazu war er von 1980 bis 1989 Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe. Mit wissenschaftlichen Publikationen, Gutachten, und Stellungnahmen - bis 11. Oktober 2011 auch für die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz als "Of counsel" - prägte der Hochschullehrer eine konservative Gilde von Arbeitsrechtlern. CDU-Mitglied Löwisch gehört nicht zu den Parteisoldaten, aber zu den festen Größen der Union in Südbaden. Die Universität Freiburg kürte ihn 1991 zum Rektor, 1995 gab er das Amt an seinen Parteifreund Wolfgang Jäger weiter.

Dass nicht die CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag vor den Staatsgerichtshof zog, enttäuschte den mittlerweile emeritierten Rechtsprofessor "schon etwas", wie er zugibt. "Die haben gesagt, das Ausstiegsgesetz sei verfassungswidrig, aber klagen wollen sie nicht", wundert sich Löwisch. Er fühlte sich klageberechtigt, weil ihm als Stimmbürger und somit "Beteiligter" ein "eigenständiges verfassungsrechtliches Teilhaberecht" zustehe. So wie dem Professorenquartett, das 1997 vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Währungsunion geklagt hat. Diese Auffassung wies der Staatsgerichtshof jetzt zurück. Dort habe es sich um eine Verfassungsbeschwerde gehandelt, diese gebe es beim Staatsgerichtshof aber nicht.

Kläger nimmt seine Niederlage sportlich

Dass es ihm bei seinem Klageantrag nicht nur um die reine juristische Lehre ging, räumt Manfred Löwisch freimütig ein, er ist strikt für den Tiefbahnhof. Den "Protestierern gegen Stuttgart 21" hat er am 22. September 2010 in einem Leserbrief der "Badischen Zeitung" vorgehalten, sie würden die Verpflichtungen einer Landeshauptstadt gegenüber anderen Landesteilen negieren. Die Kapitale müsse man "rasch und unkompliziert erreichen" können, dem dürfe man sich nicht verschließen, "auch wenn dadurch für einige Jahre die schwäbische Beschaulichkeit gestört wird". Das hat ihm, der selbst in einem dörflich geprägten Stadtteil wohnt, herbe Kritik eingebracht. "So ist er", sagen auch Juristenkollegen, die ihn kennen und mit ihm selten einig sind, durchaus respektvoll, "er kämpft mit offenem Visier".

Der abgewiesene Kläger nimmt seine Niederlage sportlich, auch weil der Beschluss des Staatsgerichtshofes ja inhaltlich nicht bedeute, dass er unrecht habe. "Ich bleibe dabei", sagt Löwisch, "das Ausstiegsgesetz ist verfassungswidrig."