Der dänische Bestsellerautor Jussi Adler-Olsen spricht im Interview über Pep Guardiola, seine Faulheit, sein Rezept gegen Schreibblockaden und über den Erfolg skandinavischer Krimis.

Kopenhagen – Der Däne Jussi Adler-Olsen ist mit seiner Krimireihe um den mürrischen Kommissar Carl Mørck vom Sonderdezernat Q berühmt geworden. Seine Bücher, etwa „Erbarmen“ oder „Schändung“, erscheinen in einer Millionenauflage. Ruhm und Geld seien nicht mehr wichtig, sagt der 62-Jährige, sondern nur „was man damit anfängt“. Unser Korrespondent Hannes Gamillscheg hat den Schriftsteller in Kopenhagen interviewt.
Herr Adler-Olsen, Pep Guardiola geht als Bundesligatrainer nach zu Bayern München, was wird das werden?
O, das wird wunderbar. Stellen Sie sich vor: die Bayern spielen tiki-taka. Wer soll sie da noch schlagen? Ich habe eine Wohnung in Barcelona, und als Barca gegen Leverkusen spielte, saß ich in der ersten Reihe. 7:1, fünf Tore Messi, alle brüllten vor Freude, selbst meine Frau, die von Fußball überhaupt nichts versteht. Aber als Leverkusen ein Tor schoss, standen die 100 000 im Camp Nou auf und klatschten Beifall. Das ist Guardiolas Geist, und den bringt er nach München mit.

Ich frage Sie zu Guardiola, weil ich mal las, dass Sie am liebsten auf dem Sofa lägen, um Champions League zu gucken anstatt Bestseller zu schreiben.
Aha, Sie haben von meiner Faulheit gehört. Ja, ich bin faul, aber ich habe von meinem Vater gelernt. Der hat sein Leben lang gearbeitet, und als ich ihn fragte, warum, er hatte doch alles, da sagte er: ,Damit protestiere ich gegen meine Faulheit.’ Zwei Dinge halten den Menschen lebendig, Neugier und Kreativität. Ich habe beides in Fülle.

Dennoch: Sie sind 62. Hätten Sie Ihren Erfolg nicht lieber mit 40 gehabt und könnten sich jetzt zur Ruhe setzen?
Mit 40 hätte ich nicht tun können, was ich jetzt tue. Ich war 39, als ich meinen Sohn bekam, der schlief nie. Ich machte mit ihm auf dem Bauch die Nächte durch, guckte MTV, las eine Menge Zeug, das ich nicht mochte, und lernte unheimlich viel davon. Vorher war ich ein großer Egoist, jetzt lernte ich, an andere zu denken. Als ich 17 war, sagte mein Vater: ,Jussi, tu, was dir Spaß macht, du hast viele Talente, nutze sie alle, eins nach dem anderen.’ Das hab ich getan, und ich habe immer Spaß gehabt.

Jetzt sind Sie ein Autor mit Millionenauflage und globaler Verbreitung. Hat dieser Erfolg Sie verändert?
Ich glaube, ich kann sagen: ich habe mich nicht verändert. Ich hatte das Glück, dass schon mein erstes Buch ein Erfolg war, nicht toll, aber ich konnte davon leben. Dann schrieb ich zwei weitere internationale Thriller und lebte sehr gut davon. Und dann erfand ich Carl Mørck vom Sonderdezernat Q. Geld ist nicht mehr wichtig. Wichtig ist, was man damit anfängt. Ich habe zwei Firmen gegründet, eine baut ein Null-Energie-Haus, die andere schafft Softwarejobs. Ich baue gerne auf. Aufhören ist niederreißen. Oft brauche ich mehr Zeit für alles andere als fürs Schreiben. Aber dann setze ich mich hin und schreibe Tag für Tag elf Stunden im Stück. Das ist toll, da fühlt man, dass man arbeitet.

Aber Schreibblockaden kann man sich dann nicht leisten.
Da helfen mir zwei Dinge. Erstens die Musik. Ich lege eine CD ein, setze den Kopfhörer auf und beginne zu schreiben. Das kann Mozart sein, Filmmusik, Hendrix, ganz egal. Aber nur eine CD in der Endlosschleife den ganzen Tag. Ohne Kopfhörer geht gar nichts, und wenn ich eines Tages taub würde, könnte ich nicht mehr schreiben.

Und zweitens?
Ich habe meine Tricks. Ich sitze immer am selben Schreibtisch, mit einem Laptop von 1992 und vorsintflutlicher Software. Wordperfect von 1997. Mit neuen Schreibprogrammen blufft man sich selbst. Das sieht alles so schön aus, feine Schrift auf weißem Grund, tolles Layout, und du merkst nicht, dass das, was du schreibst, scheiße ist. Bei mir ist alles hässlich, weiße Buchstaben auf blauem Grund. Da muss der Text gut sein, sonst ist das nicht auszuhalten. Und dann höre ich immer eine halbe Seite zu früh auf. Die schreib ich am nächsten Tag fertig – schon bin ich in Gang.

Ob Sie es wollen oder nicht, Sie sind Teil der skandinavischen Krimiwelle. Haben Sie ein paar nette oder giftige Worte über Ihre Kollegen?
Nein, das habe ich nicht, denn ich habe keinen von ihnen gelesen, keinen Stieg Larsson, keinen Mankell, keinen Jo Nesbø. Absichtlich nicht, weil ich immer Angst hätte, dass sie mich inspirieren. Aber wir alle haben ja die gleichen Helden, wir alle sind Kinder von Sjöwall/Wahlöö, die in den Siebzigern mit ihrem Sozialrealismus und ihrem politischen Inhalt den Kriminalroman neu erfunden haben. Daraus haben wir alle gelernt, und jetzt ist Skandinavien trendy. Aber Trends verändern sich, jetzt kommen die Japaner. Aber ich habe vor, mich am Tisch festzukrallen. . .

Fünf Bände aus dem Sonderdezernat Q sind erschienen, zehn sind insgesamt geplant. Schreiben Sie am sechsten?
Na ja, nicht ganz. Ich sollte. In 14 Tagen fange ich an, ich muss. Jetzt schreibe ich an der Synopsis, aber ich weiß noch nicht, wie ich alle Probleme löse. Aber dann kommen fünf Monate mit Schreiben, sonst nichts.

Und wissen Sie schon, wie es danach weitergeht?
In großen Zügen ja, die Bände sieben bis neun erzählen die Geschichten von Carl Mørck, von Assad, seinem Assistenten, und von Rose, der Frau, die Chaos in das Dezernat bringt. Dann zum Finale das große Feuerwerk. Aber über die Fälle, die sie lösen sollen, bin ich noch unschlüssig, ich habe elf „Cases“ im Köcher, mal sehen, was dabei herauskommt.

Im Oktober kommt der erste Film in die Kinos, Carl Mørck wird gespielt von Nikolaj Lie Kaas. Wie viel haben Sie damit zu tun?
Gar nichts. Ich habe die Rechte für die Verfilmung der ersten vier Bücher verkauft. Was die daraus machen, ist nicht meine Sache. Das ist eine dänische Produktion, in Deutschland wird sie natürlich synchronisiert. Aber ich könnte mir gut eine deutsche Fernsehversion vorstellen, die in Hamburg spielen könnte, das ist ja schon fast skandinavisch. Mit Peter Lohmeyer als Carl Mørck: das würde mir gefallen.