Eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts zeigt, dass die Gerichte in Baden-Württemberg im Ländervergleich weniger drastische Strafen verhängen als anderswo. Das liegt vor allem an der Rechtsprechung in Baden.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart/Freiburg - Die Rechtsprechung in Deutschland sollte eine möglichst emotionslose Sache sein – vor allem beim Strafrecht muss sich ein Rechtsstaat daran messen lassen. Eine Untersuchung des Wissenschaftlers Volker Grundies vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg zeigt, dass Deutschland bei der Frage nach der Gleichbehandlung vor dem Gesetz noch Nachholbedarf hat, denn sie sagt: Eine Straftat in München wird ganz anders gewertet als eine Straftat in Freiburg.

 

Die Auswertung von 1,5 Millionen Gerichtsurteilen zwischen 2004 und 2010 zeigt ein gewaltiges Gefälle zwischen dem härtesten und dem mildesten Regierungsbezirk in Deutschland auf: Während Gerichte im Gerichtsbezirk München I durchschnittliche Haftstrafen von 4,6 Monaten verhängen, sind es in Freiburg 3,0 Monate im Mittel. In den Nachbarbezirken Offenburg und Waldshut-Tiengen werden ebenso milde Urteile gesprochen, die Gefängnisstrafen liegen hier im Schnitt bei 3,1 Monaten.

Erst Richtung Württemberg fallen die Strafen demnach etwas härter aus – während der Gerichtsbezirk Tübingen mit einer durchschnittlichen Strafdauer von 3,7 Monaten noch leicht unter dem Bundesdurchschnitt liegt, befindet sich Stuttgart mit 3,9 Monaten exakt dort. Ähnlich sieht es in den Bezirken Ulm, Ellwangen und Heilbronn mit jeweils 3,8 Monaten aus.

Den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt

Worauf gehen die regionalen Schwankungen zurück? „Generell scheinen lokale Sanktionskulturen zu existieren, die sich auch über mehrere Richtergenerationen hin tradieren“, sagt Volker Grundies. Die Unterschiede zwischen Baden und Oberbayern seien systematisch und so groß, dass der Macher der Studie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sieht.

Damit die Studie aussagekräftig ist, war es Grundies wichtig, vorab die Varianz der Einzelfälle weitest möglich zu reduzieren, die durch das spezifische Delikt und die Persönlichkeit des Angeklagten verursacht wird. Hierbei wurden auch Faktoren wie mildernde Umstände, die Deliktschwere und einzelne Ausreißer-Urteile berücksichtigt.

Unterschiede gibt es bei der Rechtsprechung nicht nur bei der durchschnittlichen Dauer der verhängten Haftstrafen. Auch bei der Behandlung verschiedener Arten von Straftaten kennt die Rechtsprechung in Deutschland keine einheitliche Linie. So ahnden die Gerichte in ganz Baden-Württemberg Drogendelikte unterdurchschnittlich streng. Bei Verkehrsdelikten dagegen verstehen zumindest die Richter in Stuttgart und Region keinen Spaß: Laut der Studie liegen die verhängten Haftstrafen für Verkehrssünder 20 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.