Ladendiebstähle mit einem Schaden von weniger als 25 Euro wurden bisher oft nicht verfolgt. Das will Justizminister Guido Wolf (CDU) nun ändern: er streicht die umstrittene Bagatellgrenze.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ladendiebstahl soll in Baden-Württemberg künftig konsequenter strafrechtlich verfolgt werden. Unabhängig von der Höhe des Schadens sollen die Staatsanwaltschaften in jedem Einzelfall über Folgen entscheiden. Dazu will Justizminister Guido Wolf (CDU) die geltende Bagatellgrenze von 25 Euro streichen. Dies teilte Wolf in einem am Montag versandten Schreiben an die Generalstaatsanwälte und die Behördenchefs mit, das unserer Zeitung vorliegt. Die im „Kleinkriminalitätserlass“ von 2012 enthaltene Wertgrenze werde damit aufgehoben. Zuvor hatte die Grenze bei fünf Euro gelegen.

 

Wenn der Wert der Beute darunter lag, wurden die Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Dies galt aber nur für nicht vorbestrafte Täter, die auch nicht besonders professionell vorgingen. Für Wolf entstand dadurch „der fatale Eindruck, dass Ladendiebstähle jedenfalls von Ersttätern folgenlos und ohne jedes strafrechtliche Risiko begangen werden können“. Die Prävention drohe durch die „schematische Sachbearbeitung“ zu kurz zu kommen.

Verweis auf den hohen Schaden

Auch wenn die Schäden im Einzelfall gering seien, gehe es um „hohe gesamtwirtschaftliche Schäden“, schrieb der Minister an die Chefermittler. Es entspreche „dem allgemeinen Rechtsempfinden“ und der Erwartung der Öffentlichkeit, wenn grundsätzlich jeder Diebstahl verfolgt werde. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass sich der Rechtsstaat bei der Strafverfolgung von Ladendiebstählen „aus verwaltungsökonomischen Gründen zurückziehe“. Die Bürger müssten darauf vertrauen, dass das Recht ohne Unterschiede gelte und breit durchgesetzt werde.

Der Entscheidung Wolfs waren Gespräche mit den Generalstaatsanwälten vorausgegangen. Diese sollen sich zumindest teilweise skeptisch gezeigt haben. Der Stuttgarter Behördenchef Achim Brauneisen hatte bereits früher gesagt, man kapituliere keineswegs vor den vielen Ladendieben. Im Jahr 2016 sei in fast einem Viertel der Fälle mit einem Wert unter 25 Euro eine Strafe beantragt worden. Laut dem Minister kommt auf Staatsanwälte und Richter durch den Wegfall der Grenze zwar „ein gewisser Mehraufwand“ zu, aber dieser falle „nicht wesentlich ins Gewicht“. Zudem verwies er auf die geplanten Neustellen.

Für die Händler „nie eine Bagatelle“

Wolf erfüllt damit auch einen Wunsch des Einzelhandelsverbandes. Dessen Präsident Hermann Hutter hatte eine mögliche Senkung oder Abschaffung der Bagatellgrenze „sehr begrüßt“. Sie sei „ein starkes Symbol für den Einzelhandel, dass Ladendiebstahl nie eine Bagatelle ist“, sagte er unserer Zeitung. Die Justiz müsse aber vor allem die nötigen Kapazitäten schaffen, um die Gesetze umzusetzen. Viele Händler würden Diebstähle gar nicht mehr anzeigen, „weil sie denken, dass es nichts bringt“, hatte der Verbandschef gesagt. Dies gilt auch als Erklärung dafür, dass die erfasste Zahl dieser Delikte zuletzt gesunken ist.

– Tribut an das Rechtsempfinden 

– Wolf erhört den Einzelhandel