Der elsässische Liedermacher und Kabarettist Roger Siffer bespielt mit Erfolg die Bühne des von ihm gegründeten Théâtre de la Choucrouterie in Straßburg. Im Elsass gilt er als Institution.

Stuttgart/Straßburg - Das Hemd leger geöffnet, die langen, grauen Haare zu einem Zopf zusammengebunden und ein verschmitztes Grinsen im bärtigen Gesicht: Auf den ersten Blick wirkt Roger Siffer wie der Weihnachtsmann im Sommerurlaub. Zumindest im Elsass dürfte der 66-Jährige auch genauso bekannt sein. Der Musiker und Kabarettist gilt als der Verfechter der elsässischen Sprache schlechthin.

 

Bekannt geworden ist Siffer mit seinen elsässischen Volksliedern, „D’r Hans em Schnokeloch” ist noch heute so etwas wie die inoffizielle Regionalhymne. „Ich bin aber kein Dialekt-Missionar“, stellt der gemütliche Elsässer klar. Vor 30 Jahren gründete Siffer das Théâtre de la Choucrouterie in Straßburg, das sich mittlerweile als Institution der elsässischen Kultur etabliert hat. In dem Gebäude einer ehemaligen Sauerkrautfabrik zeigen er und seine Truppe unter anderem elsässisch-französisches Kabarett – parallel auf zwei Bühnen.

„Wenn man zweisprachig ist, kann man zweimal mehr Dummheiten erzählen“, erklärt Siffer mit schelmischen Gesichtsausdruck. Das lässt er sich auch in der Sommerpause des Theaters nicht nehmen. Mit einem mehrsprachigen Bühnenprogramm aus Tanz, Gesang und Sketchen tourt er mit der Choucrouterie noch bis Mitte September durch das Elsass, Hip-Hop-, Elektro- und Breakdance-Einlagen inklusive. Siffer versteht es, mit verschiedensten Künstlern die Choucrouterie immer auf dem Laufenden zu halten und so auch jüngere Leute zu begeistern.

Roger Siffer bleibt kämpferisch

Allerdings hängt der elsässische Barde keinen Illusionen nach: „Die junge Generation braucht diese Sprache nicht mehr“, kommentiert Siffer den Umstand, dass immer weniger Menschen elsässisch sprechen und verstehen. Dennoch klingt er nicht resigniert. Er selbst hat einfach Spaß an diesem Dialekt, den er als „reichhaltig” bezeichnet. Und irgendwie bleibt er dann doch kämpferisch: „M’r lon us nit uf d’Nas schisse, m’r sperret s’Mul uf.” Was frei übersetzt soviel heißt wie „Wir lassen uns nicht auf die Nase scheißen, wir machen den Mund auf.”

Den Mund aufgemacht hat Siffer schon in jungen Jahren, als er während seines Studiums in Straßburg mit Kommilitonen in Kneipen Musik gemacht hat, damals aber noch überwiegend Rock’n’Roll- und Blues-Coverversionen. Nach ersten satirischen Gehversuchen, unter anderem bei einer Veranstaltung in einem katholischen Kinderheim, habe ihn der Straßburger Kabarettist Germain Müller schließlich dazu „gezwungen“ eigene Lieder zu schreiben. Damit ist er durch Europa getourt, bevor er 1984 die Choucrouterie gründete.

Seine Auftritte haben dabei nicht jedem gefallen. In Paris, erzählt er, habe ein Zuschauer gerufen, dass er gefälligst auf französisch singen solle, man sei hier nicht bei den „Boches” (ein Schimpfwort für Deutsche, die Redaktion). Warum andere regionale Identitäten wie beispielsweise die Bretonen in Frankreich eher anerkannt sind, erklärt Siffer so: „Die sind keine Germanen.“ Siffers Vater, französischer Staatsbürger, hätte selbst allen Grund dazu gehabt, die Deutschen zu verdammen. Er wurde im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht zwangseingezogen und an die Ostfront nach Russland geschickt. „Aber er hat mir immer eingetrichtert, dass wir Europa bauen müssen“, erinnert sich Siffer, der 1948 im Vogesendorf Villé (deutsch Weiler) geboren wurde. Die Einstellung seines Vaters spiegelt sich auch bei Siffer wider. Der Mann mit den strahlenden blauen Augen hinter der runden Brille bezeichnet sich selbst als „Weltbürger mit elsässischem Pass”. Mit seinen 66 Jahren will sich Siffer nun langsam aus dem aktiven Bühnenleben zurückziehen und jüngeren Talenten in der Choucrouterie den Vortritt lassen.

Gerüchte, die diesjährige Sommertour sei seine letzte, dementiert er aber humorvoll: „Die nächsten zwölf Jahre werde ich einfach auf Abschiedstournee gehen.“ Danach wird auch der wohl bekannteste Elsässer, der ein bisschen aussieht wie der Weihnachtsmann, einmal Zeit für Sommerurlaub haben.