Der Kabarettist Sebastian Pufpaff hat die Deutschlandpremiere seines neuen Programms „Wir nach“ in der Rosenau gefeiert.

Stuttgart - „War das für Sie noch Kabarett oder nur eine Selbsthilfegruppe für mich?“, fragt Sebastian Pufpaff sein Publikum in der Rosenau ganz ernsthaft im Anschluss an seine soeben über die Bühne gegangene Premiere. Er hat sein Anfangsversprechen gehalten: Zu keinem Zeitpunkt zog er über Parteien oder Politiker her. Ein Kabarettist, der nicht eh schon weiß, was sein Publikum denkt? Das ist neu.

 

„Wir nach“ heißt das ebenfalls neue Programm des 42-Jährigen. Dass der durch ARD und ZDF bekannte Satiriker seine neue Show erstmals in der Rosenau präsentiert, schmeichelt der Stuttgarter Bühne: Pufpaff füllt längst Säle, die zehnmal so viele Zuschauer fassen. Doch er hat halt nicht vergessen, wer ihn von Beginn an auftreten ließ.

Eine Name, der klingt wie ein kaputter Dieselmotor

In Anzug, Krawatte und Sneakers gibt er in der ersten Hälfte den blasierten arrivierten Drecksack: „Ich bekomme keine Knöllchen – ich kaufe mir andere Geschwindigkeiten“, erklärt der Mann, dessen Nachname so klingt wie ein kaputter Dieselmotor. Und freut sich, auf der Gewinnerseite des Kapitalismus zu stehen: Die 42 reichsten Menschen der Welt besitzen so viel wie die ärmere Hälfte des Planeten, also 3,7 Milliarden. Das ist kein Witz, sondern Fakt. Neunzig Prozent dieser Reichen sind Männer: „Bei den paar Frauen wissen wir ja alle, wie die in diese Position gekommen sind“, witzelt Pufpaff bewusst sexistisch – die Figur, die er mimt, kann in ihrer lächerlichen Überheblichkeit nicht für voll genommen werden. Man lacht nicht über die diskriminierende Pointe, sondern über den Deppen, den der Künstler spielt. Das unterscheidet ihn von einschlägigen Idiotenkomikern.

Keine Politikerzoten

Pufpaffs Verweigerung von Politikerzoten zeigt, dass das fortschrittliche Kabarett von sich selbst genug hat. Für eine Demokratie durchaus bedenklich: Es ist zu einfach und langweilig geworden, Eitelkeit und Einfalt der Volksvertreter vorzuführen. Man richtet den Blick entweder, wie etwa im ZDF-Fernsehkabarett „Die Anstalt“, auf große Zusammenhänge. Oder eben auf sich selbst. Wie Pufpaff, der sich mit dem Satz „Häufig empfindet man Ungerechtigkeit erst, wenn sie einem selbst widerfährt“ in die Pause verabschiedet und hernach zweifelnd wiederkehrt.

Zwar spottet er noch über die immerzu schlecht gelaunte Kassiererin seines Stammsupermarkts – also über jene, die nicht gerade zu den Profiteuren unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zählen. Und weckt dabei absichtlich den Anschein, sich jetzt in billigster Comedy zu verlieren. Ehe er sich jedoch angesichts dieser Herablassung am Ende eingesteht: „Meistens sind wir der Arsch“ – und damit nicht nur sich selbst rüffelt, sondern auch jene trifft, die zuvor mit ihm das miesgelaunte Prekariat ausgelacht haben.

Einer der besten seines Fachs

In puncto Performance gehört Pufpaff ohnehin zu den besten seines Fachs. Mal lässt er seine Gäste bei zynischen Passagen verstummen, mal redet er sich so in Rage, dass man ihm ob des roten Kopfes flugs den Krawattenknoten lockern möchte. Sein merkwürdig altbacken daherkommendes Lob auf die vorgeblich vergangene Zeit, in der man einander die Türen aufhielt und „Bitte“ und „Danke“ sagte, lässt sich da leicht verschmerzen. Mit seinem dritten Programm „Wir nach“ ist Sebastian Pufpaff eine so komische wie kluge Selbstreflexion gelungen, an der sich seine Zunft ruhig orientieren könnte. Ob das also noch Kabarett war? Man kann hoffen, dass das Kabarett wird.