Der Kabarettist Stefan Waghubinger und sein Buch, das sein Leben – wieder – verändert hat. Foto: Simon Granville
Der Korntal-Münchinger Kabarettist Stefan Waghubinger hat bald ein Heimspiel. Grund genug, über das Leben nachzudenken – und zum 50-Jahr-Jubiläum von Korntal-Münchingen über „seine“ Stadt.
Stefanie Köhler
15.01.2025 - 16:11 Uhr
Schuld ist ein Buch über Humor. Es ist der Auslöser dafür, dass Stefan Waghubinger mit humoristischem Schreiben beginnt. Erst Cartoons, später Kabarett, für das er fortan in Deutschland wie in Österreich und der Schweiz gefeiert wird und zahlreiche Preise abräumt.
Im Jahr 1999 entdeckt der gebürtige Österreicher jenes Buch, in der Bibliothek im Stadtteil Korntal von Korntal-Münchingen. Dort ist er, der keine 300 Meter entfernt wohnt, Dauergast. „Bücher haben mich immer fasziniert“, erzählt Stefan Waghubinger. Außerdem ist zu jenem Zeitpunkt das Internet noch nicht verbreitet, und als Mitarbeiter in der Jugendhilfe im Flattichhaus der Diakonie der Brüdergemeinde besucht er auch mal mit seinen Schützlingen die Einrichtung. Wie an jenem Tag vor rund 25 Jahren.
Das Buch wird gern aus dem Archiv geholt
Der junge Mann ist versorgt, derweil stöbert Stefan Waghubinger wie so oft in den Büchern – und stößt auf Eike Christian Hirschs „Der Witzableiter oder Schule des Lachens“, wobei es in der damaligen Ausgabe „Gelächter“ heißt. Schon zuvor hatte sich Stefan Waghubinger gefragt, was Humor ist und warum Menschen lachen, zumal auf unterschiedliche Weise in unterschiedlichen Situationen. „Ich war von dem Buch total fasziniert“, sagt der 58-Jährige.
Der sich nun an seinen Fund erinnert, als er überlegt, wo das Treffen mit der Presse am besten stattfindet und mit welchem Fotomotiv. Mittlerweile verleiht das Bücherei-Team das Werk nicht mehr, sondern lagert es im Archiv. Macht aber nichts. Eine Mitarbeiterin holt es gern für den Besucher Stefan Waghubinger, der schließlich auch nicht irgendwer ist. Und an diesem Freitag wieder einmal in Korntal-Münchingen auftritt.
Beruflicher Neustart in Korntal-Münchingen
Jobbedingt verschlägt es Stefan Waghubinger im Jahr 1993 nach Korntal. Der studierte Theologe beschließt zuvor den beruflichen Neustart. 16 Jahre lang arbeitet er in der Jugendhilfe. Aus familiären Gründen zieht er Anfang 2020 nach Münchingen, ehe es ihn voriges Jahr wieder nach Korntal treibt. Stefan Waghubinger kennt die zwei großen Stadtteile also ziemlich gut, auch wenn er viel Lebenszeit im Auto verbringt und noch Wohnsitze in Österreich als auch der Schweiz hat.
Dieses Jahr ist es 50 Jahre her, dass sich die bis dato unabhängigen Gemeinden Korntal und Münchingen zur Stadt Korntal-Münchingen zusammentun, Kallenberg inklusive. Die Heirat, gezwungenermaßen: Im Zuge der Gebietsreform in Baden-Württemberg bestimmt den Zusammenschluss anno 1973 die Landesregierung.
Zum Jubiläum macht sich Stefan Waghubinger Gedanken über „seine“ Stadt. Ein „ruhiges, sicheres Gebiet“, mit Menschen, deren „unaufdringliche Art“ er mag. Aber auch die Stadt mit der Autobahn mittendrin. Die A81 grenze die großen Stadtteile voneinander ab; sie würden einfach aufhören.
Der Reingeschmeckte blickt auf Korntal-Münchingen
Während Korntal mehr Stuttgart sei – man kommt eh nur über die Landeshauptstadt hin –, sei Münchingen das Strohgäu. Die einen Einwohner sehen sich als Korntaler, die anderen als Münchinger, stellt Stefan Waghubinger fest. „Alle drei Stadtteile für sich sind schöne Lebensräume. Korntal-Münchingen ist ein schönes Gebilde, man kennt sich, aber es ist nicht mehr als eine politische Einheit. Ist das schlimm? Muss es überhaupt zusammenwachsen?“, fragt der 58-Jährige und schiebt ein „Nein“ hinterher. In ihrer Art sei die Stadt keine Ausnahme. „Ich habe auf meinen Touren einige ähnliche ‚künstliche Städte’ kennengelernt.“
Hilfreich, meint der Kabarettist, wäre eine direkte, zentrale Verbindung, die sich auch ohne Auto nutzen lässt. „Oder eine ‚Zentrale’ in der Mitte aller drei Stadtteile“, so Waghubinger. Seine Kinder, die in Korntal aufgewachsen sind, hätten ihre Freizeit der Distanz zu Münchingen wegen vorwiegend im Ort verbracht. Gleichwohl, im Freizeitbad sei die Familie immer gern gewesen.
Überall daheim – und doch nirgends richtig
Seit Stefan Waghubinger seit 2009 als Kabarettist auf der Bühne steht, hat sich für ihn einiges verändert. „Ich vermisse das Gefühl, nach Hause zu kommen, wie früher, als ich in der Jugendhilfe tätig war.“ Heute sei er überall daheim – aber nirgends vollständig, weil er nicht mehr sesshaft ist. Wenn im Frühjahr sein Sohn samt Partnerin von den Azoren zurückkehren, braucht er eine neue Bleibe – aktuell hütet er deren Wohnung in Korntal. Vielleicht im kleinsten Stadtteil Kallenberg? Stefan Waghubinger lacht. Vorstellen kann er sich das, wegen des Waldes, „der ist toll“, und er sei ja auf dem Land großgeworden. Jedenfalls, er tendiert zu Süddeutschland: „Immer wenn ich auf einer Rückfahrt das Baden-Württemberg-Schild sehe, kommt ein Heimatgefühl auf.“
Seine aktuelle Tour führt Stefan Waghubinger nach Münchingen. „Hab’ ich euch das schon erzählt? Das Beste aus 15 Jahren und neue Katastrophen“ heißt sein neues, fünftes Bühnenprogramm. Der 58-Jährige hält den Menschen einen Spiegel vor. Satirisch, sarkastisch. „Ich kämpfe gegen alle Gewissheiten, zerstöre sie. Das macht mich aus und das schätzt das Publikum an mir. Ich spiele die Rolle des Ignoranten.“
Politisches Kabarett ist derzeit nicht angesagt
Stefan Waghubinger sagt, er sei nicht immer lustig. Trotzdem habe er die Leute schon immer zum Lachen bringen können. „Am ehesten lacht man, wenn etwas an der Grenze ist: Unangenehm, aber nicht zu sehr, intellektuell, aber noch zu verstehen.“ Die Herausforderung sei, für eine Gruppe das Maß zu finden. Und auch wenn die Menschen lachen, obwohl nicht alles perfekt, gar gut ist: „Politisches Kabarett mag das Publikum angesichts der vielen Probleme derzeit nicht mehr so“, stellt Stefan Waghubinger fest. „Es fürchtet, dass es noch mal hört, wie schlimm alles ist – und das will es nicht.“
Stefan Waghubinger kommt mit seinem Satire-Kabarett „Hab’ ich euch das schon erzählt? Das Beste aus 15 Jahren und neue Katastrophen“ an diesem Freitag, 17. Januar, 20 Uhr, in den Widdumhof Münchingen. Karten für den Auftritt gibt es bei der Stadthalle Korntal (07 11/83 67 25 10), in der Bücherei Münchingen (0 71 50/92 07 15 40) und im Internet auf www.reservix.de.
Beim Neujahrsempfang in der Korntaler Stadthalle stand das 50-Jahr-Bestehen der Stadt Korntal-Münchingen im Fokus. Unter anderem sangen der Chor Korntal und der Liederkranz Münchingen gemeinsam. Foto: Simon Granville
So feiert Korntal-Münchingen das Stadtjubiläum. Es gibt auch Kritik.
Die Zwangsheirat Zum 1. Januar 1975 haben sich die einst unabhängigen Gemeinden Korntal und Münchingen zur Stadt mit dem Bindestrich zusammengetan. Vorangegangen war das „Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden“, das der Landtag anno 1968 verabschiedete. Im Südwesten begann damit die Gebietsreform. Im Jahr 1973 bestimmte die Landesregierung die Fusion.
Die Feierlichkeiten Das 50-Jahr-Bestehen feiert die Stadt mit mehreren Aktivitäten, wofür sie insgesamt 100.000 Euro bereitstellt. 50.000 Euro sind für ehrenamtlich engagierte Gruppen vorgesehen, denn das Jubiläum soll gemeinsam mit den Bürgern stadtteilverbindend gefeiert werden. Es gibt eine Ausstellung im Heimatmuseum Münchingen, und am 25. Oktober einen Festakt, bei dem die Stadt zugleich 60 Jahre Ringstädtepartnerschaft mit Mirande und Tubize feiert.
Die Kritik Der CDU-Fraktionschef Oliver Nauth findet, dass der Festakt zu spät ist. Die Rathaussprecherin Angela Hammer verweist auf das ursprünglich andere Konzert der Stadtverwaltung. „Geplant war ein Festwochenende mit Festakt auf der grünen Wiese in der Mitte von Korntal, Münchingen und Kallenberg, welche zu einem Festplatz gestaltet werden sollte. Aus Kostengründen, vor allem wegen der mobilen Infrastruktur, musste diese Planung leider verworfen und umgeplant werden.“