Der Österreicher Werner Schneyder hatte nicht nur einen einmaligen Sound als Satiriker: Er war Journalist, Schriftsteller, Dichter, Pianist, Sänger, Ringrichter beim Boxen und Boxreporter, Leiter des „Ausgefallenen Sportstudios“ – und nicht zuletzt als Kabarettist Partner im legendären Duo mit Dieter Hildebrandt. Mit 82 Jahren ist er gestorben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Erinnerungen an Autoren hätten einen mehrfachen Sinn, hat Werner Schneyder in der ihm eigenen, pointierten Art geschrieben: Einerseits würde das Werk auf Stellen überprüft, die unserem Verstand nützen, „wenn wir sie uns zu eigen machen“. Andererseits ließe sich aus historischen Fehlern lernen, selbst bei „katastrophalen Niederlagen des Menschenverstands“. Das „Befassen mit Vergeblichkeit“, setzte er fort, „muss nicht vergeblich sein. Resignation und Scheitern sind, wenn man ihnen Gestalt gibt, ein neuer Beginn.“

 

Werner Schneyder schrieb das im Jahr 1982 in einem Buch über Erich Kästner, das bis heute Bestand hat. Überhaupt war der Dresdner Kästner, vor allem in den gereimten Details der Gedichte, für Schneyder, geboren 1937 in Graz, aufgewachsen in Klagenfurt „zwischen Fußballplatz und Stadttheater“, oft Orientierung. Die Hochintelligenz des Asphaltliteraten zog Schneyder an, und wenn er Kästner rückblickend bescheinigte, als junger Mann „höhnisch und verträumt zugleich“ gewesen zu sein, so war das auch ein bisschen Selbstporträt.

Promotion in Publizistik

Schneyder korrigierte manches anfangs Gespreizte in seinem Charakter, das er gesprächsweise im Alter unumwunden einräumte, indem er sich neben der Musik, Literatur und der Bühne mit etwas Handfestem wie Boxen beschäftigte – und zwar richtig. Neben dem Studium, das er mit einer Promotion in Publizistik abschloss, amtierte er nicht nur als Sportjournalist, sondern auch als ausgebildeter Ringrichter.

In puncto Amateurboxen (später kommentierte er für das Fernsehen von 1984 bis 1992 auch die Profis), Fußball und Eishockey konnte man ihm nicht leicht etwas vormachen, um nicht zu sagen: gar nichts. Weil er aber auch sich selber nichts vormachen wollte, näherte er sich den Widerwärtigkeiten der Sportwelt, von denen es schon in den siebziger Jahren – vom Doping bis zur Bestechung – genug gab, satirisch. Hanns-Joachim Friedrichs, der damalige Sportchef des ZDF, ermöglichte Schneyder damals „Das ausgefallene Sportstudio“, wo der österreichische Zweimetermann und Igelkopf eine ironisch-sarkastische Brillanz entfaltete, die viele Sportfans auf die Palme brachte. Das war Schneyder, dem bis zuletzt und bis hin zu seinen Kolumnen im „Kicker“ trotz kognitiver Dissonanz eine starke Restliebe zum Athletischen blieb, sehr recht gewesen, denn dort hatte er sie sitzen haben wollen.

Erfahrung im Boxring

Wiewohl ein großer Individualist, war Werner Schneyder von 1973 an im Duo am stärksten, als er zusammen mit Dieter Hildebrandt und „Talk täglich“ (und folgenden Programmen) durch die Lande zog, unter anderem auch in der DDR, was im Osten bis heute unvergessen ist.

Schneyder war der rhetorische Stachel im Fleisch von Hildebrandt, ein Pendant, das kühl und präzise auf Sachverhalte zusteuerte, die der Partner in seiner ebenfalls unnachahmlichen Manier eher weitschweifig umkreiste. Als sie gemeinsam auch nur ansatzweise schwächelten, ging Schneyder, im Übrigen ein vorzüglicher Pianist und Sänger, wieder alleine vor, mit Pausen bis hin zu einem Comeback unter dem Titel „Ich bin konservativ“.

Ein Radikalkonservativer

Das war er nun in der Tat, allerdings auf eine radikale Art: Was viele Leute mit Arroganz verwechselten, war Schneyders Weigerung, sich vereinnahmen zu lassen. Wie er auf dem Theater und als Regisseur von, nur zum Beispiel, Arthur Schnitzler oder Oper und Operette, intelligente Werktreue schätzte, hatte er nichts übrig für üble Melangen jedweder Art: „Menschen, die Kultur betreiben, ohne Politik zu begreifen, kriechen Menschen in den Hintern, die Politik betreiben, ohne Kultur zu haben“, hieß das im Klartext. Er war, wie er mit höchstem Lob, das bei ihm nie Superlativ sein durfte, Erich Kästner bescheinigt hatte, ein „brauchbarer Autor“. Jetzt ist Werner Schneyder, ein Baum von einem Mann, plötzlich in Wien gestorben, 82 Jahre alt.