Alice Hoffmann bringt als Hilde Becker im Kittelschürzen-Look das Publikum auf Trab.

Leonberg - Kennen Sie Alice Hoffmann? Nein? Aber vielleicht Hilde Becker aus „Familie Heinz Becker“? Oder die schusselige Sekretärin von Kommissar Palü im Saarbrücker „Tatort“? Na also! Jetzt ist der im Mai kurzfristig abgesagte Auftritt der Schauspielerin und Kabarettistin in Leonberg nachgeholt worden.

 

Im voll besetzten Spitalhof dreht und knetet die tumbe Hausfrau Hilde „Die Zeichen der Zeit“ wie ihren Hefekuchenteig. Es steht ja viel auf dem Spiel – eigentlich ja das gesamte Abendland! Was, wenn der Arzt „e Neescher“ ist? Aber als Oberarzt kann er ja gar keiner sein! Oder: Was wird aus dem Saarland, wenn Bayern die Grenzen schließt? Da hilft eigentlich nur noch „viiiel“ Sprühsahne auf den Kuchen!

Bühnen-Deko braucht die Kabarettistin jedoch nicht viel: Ein kleiner Küchentisch, Stühle, eine Bild-Zeitung über der Stuhllehne. Zur wuchtigen „Zarathustra“-Musik tritt sie auf die Bühne: unspektakulär im Kittelschürzen-Look mit ausgeleierter Strickweste und undefinierbarer Mütze auf dem grauen Haupthaar mit praktischem Hausfrauen-Topf-Schnitt. Sie erklärt, wie sie eine Zeitung liest – von hinten, denn zuerst kommen die Todesanzeigen dran – und outet sich als funktionale Analphabetin: „Radierer in der S-Bahn? Wie? Ach so, Randalierer!“ Überhaupt die Fremdwörter: Überall lauern sie auf Hilde wie Schlaglöcher auf deutschen Straßen, und manchmal kämpft sie auch vergebens.

Ein Küchentisch, Stühle und eine Bild-Zeitung

Im Publikum viele aus Schwaben. „Ist das ein eigenes Bundesland?“, fragt Hilde Becker. Eine Zuschauerin ist bekennender Hilde-Becker-Fan und eigens aus Hamburg angereist. Und es gibt sogar Besucher aus Sachsen, dem „Nahen Osten“. Aber dort habe ja einst die Partei die Parole ausgegeben: „Jeder hat ein Recht auf meine Meinung!“ , betont die Kabarettistin.

Ja, und dann sind da „Die Zeichen der Zeit“: Den Ausspruch vom „Gauleiter“, Fußballstar Boateng wolle kein Deutscher als Nachbarn haben, kommentiert Hilde trocken: „Den kann man sich als Nachbarn ja gar nicht leisten!“ Aber die Zeit spürt sie natürlich auch am eigenen Leib. Da hilft nur: Bizeps trainieren mit dem Bügeleisen. Sie empfiehlt auch Teig kneten als Übung für den Rücken oder Joggen um den Küchentisch, nach dem Motto „Turne bis zur Urne!“ Seit sie gesehen hat, dass Nordic-Walking-Stöcke bei Tchibo 16,95 Euro kosten, walkt sie mit zwei Besenstielen, was sie auch gleich vorführt. Gegen altersbedingte Inkontinenz helfe Beckenboden-Gymnastik. Aber was der Beckenboden sei und wo der genau sitze, das sei nicht einfach. Dann kommandiert Alice Hoffmann energisch wie auf dem Truppenübungsplatz: „Alle aufstehen! Eine Faust machen, Teig kneten, Brust raus, bügeln!“ Das Publikum gehorcht widerspruchslos. Die Kabarettistin – grinst sie heimlich hinter der Hilde-Fassade? – sagt: „Macht weiter – ich mach’ Pause!“

Teig kneten als Übung für den Rücken

Im zweiten Teil wird’s wirklich ernst im deutschen Spießer-Wohnzimmer: Voll verschleiert in Burka tritt Hoffmann auf die Bühne, aber „Allah“ kennt sie nur aus der Redewendung „Alla, geh’ mr mol schwimma?“ Aber so eine Burka sei für einen Banküberfall ideal – und erst der Burkini! Ein echter Schlankmacher!

Die Frage aller Fragen „Gehört der Islam zu Deutschland“ treibt natürlich auch Hilde um. Aber sie hat ja jetzt Internet. Sie veranstaltet ein Quiz als Günther Jauch mit selbst gesungener Spannungsmusik zum Frauenbild der fünfziger Jahre. Und auf Wikipedia wird sie fündig: Bis 1976 durften Frauen in der Bundesrepublik kein eigenes Bankkonto führen, Lehrerinnen mussten zölibatär leben, der Mann bestimmte die Richtlinien der Familienpolitik, und überhaupt: Frauenhäuser habe es schon vor den Flüchtlingen gegeben. Man müsste also dem Islam einfach noch ein bisschen Zeit geben, wie bei uns auch.

Der Diätenwahn mit Kleidergröße 34 und XS macht vor Hilde ebenfalls nicht Halt. Mit „Schlimmfast“ treibt sie es so weit, dass sie „nur noch Licht im Kühlschrank“ hat. Aber: „Solang Kakaobohnen auf Bäumen wachsen, ist Schokolade für mich Obst!“

Zum Schluss packt die Kabarettistin ihre versiffte Handtasche samt Bild-Zeitung ein und verabschiedet sich. Allerdings folgt dann noch ein veritabler, rasanter Strip: Ein Kittelschürzen-Blusen-Kleid nach dem anderen fällt, bis Omas Schlüpfer und BH in rentnerbeige übrig bleiben. Zum Vorschein kommt eine Powerfrau mit knallroter Langhaar-Wuschelmähne und knitzem Lachen: Alice Hoffmann.