Die Außenstelle Reutlingen wird in die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg eingegliedert. Das Studium der künftigen Sonderschullehrer soll enger mit den klassischen Unterrichtsfächern verzahnt werden.

Stuttgart - Sonderpädagogik wird im Schulalltag immer wichtiger. Eltern und Politiker erwarten mehr individuelle Förderung für die Kinder, behinderte Schüler haben ein Recht auf Inklusion, auf den gemeinsamen Unterricht mit nicht Behinderten. Daraus folgt für die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), dass sonderpädagogische Inhalte künftig in alle Lehramtsstudiengänge einfließen müssen.

 

Der Ministerrat hat gestern beschlossen, dass die Fakultät für Sonderpädagogik von Reutlingen auf den Campus der Pädagogischen Hochschule nach Ludwigsburg umziehen soll. „Die räumliche Nähe wird sich nachhaltig auf die Qualität der gesamten Lehrerbildung auswirken“, davon ist Bauer überzeugt. Die Lehrämter stehen ohnehin vor weiteren Reformen.

Die Entscheidung sorgt in Ludwigsburg für Freude, in Reutlingen überwiegt die Skepsis. Martin Fix, der Rektor der PH Ludwigsburg sieht sich am Ziel seiner seit 2009 währenden Arbeit. Die Eingliederung der Außenstelle Reutlingen in den Campus Ludwigsburg sei „inhaltlich notwendig und sachlich sinnvoll“. Fix sieht den Gewinn vor allem bei den Studenten der Sonderpädagogik. Sie seien bisher viel zu wenig an die normalen Fächer angebunden gewesen. Die positiven Effekte auf die Inklusion seien angenehme Randerscheinungen.

Eingliederung inhaltlich notwendig und sachlich sinnvoll

Deutlich zurückhaltender reagiert die Reutlinger Dekanin Martina Hielscher-Fastabend. Die Verzahnung schon von den ersten Semestern an sei zwar wünschenswert, auch die Kooperationen mit anderen Fakultäten werde einfacher, sucht die Dekanin die positiven Seiten der Entscheidung. Doch die Reutlinger bezweifeln, dass der Ministerrat ihre kritischen Anmerkungen wirklich gewürdigt hat. Wohin mit den 70 000 Bänden der Fachbibliothek? Die Ludwigsburger haben nur Platz für 20 000. Was wird aus der Kooperation mit der Uni Tübingen, die bisher die medizinische Ausbildung zum Beispiel bei Sprachstörungen übernahm? Was wird aus den guten Kontakten zur Bruderhaus Diakonie und den Schulen rund um Reutlingen, die Praktika für die Studenten anbieten? Ganz zu schweigen von der großen ungelösten Frage, was mit den etwa zehn Mitarbeitern in der Verwaltung in Reutlingen geschieht. Hielscher-Fastabend hofft, dass der Hochschulrat heute die Details klärt, habe er doch versprochen, dass sich die Fakultät nicht verschlechtern werde.

Sozialverträgliche Lösung für Mitarbeiter gesucht

Fix ist zuversichtlicher. Er verweist auf die Uni Heidelberg, die in Ludwigsburg ein Lehrkrankenhaus betreibe und sagt, auch in Nordwürttemberg gebe es Behindertenwerkstätten. Die seien bisher nur nicht genug beachtet worden. Für die Verwaltungsmitarbeiter werde man sozialverträgliche Lösungen suchen. „Der konstruktive Wille ist da, im Sinne aller Beschäftigten zu handeln“, versichert Fix.

Positiv nehmen die Hochschulvertreter auf, dass auf dem Campus Ludwigsburg ein kleiner Neubau möglich wird – auch wenn ihn die PH selbst bezahlen muss. Fix erwartet, dass zehn bis zwölf Büros und ein bis zwei Seminarräume erstellt werden können. Die Kosten müssten sich „deutlich unter einer Million bewegen“. Das Land stellt Seminarräume im Realschullehrerseminar zur Verfügung. Das heißt offiziell Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (SSDL) und soll vom Campus in die Ludwigsburger Innenstadt ziehen und so Platz für die Sonderpädagogen schaffen.

Fünftsemester können in Ludwigsburg bleiben

Auch wenn schon jahrzehntelang um den Umzug gestritten wird, geht es nicht so schnell. Zum Wintersemester 2015/16 soll das Realschullehrerseminar frei werden. Bis dahin gibt es parallele Angebote. Bisher werden die ersten vier Semester in Ludwigsburg absolviert, das sonderpädagogische Fachstudium folgt in Reutlingen. Jetzt gilt: Studenten, die im Herbst ins fünfte Semester kommen, müssen nicht nach Reutlingen umziehen, sondern können nun in Ludwigsburg bleiben. Die Studenten, die schon in Reutlingen sind, können dort abschließen. In Zukunft reisen die Dozenten aus Reutlingen nach Ludwigsburg. Möglicherweise mit dem Pendelbus.