Die Stimmung in der Berliner Ampelkoalition ist miserabel. Eine Klausurtagung auf Schloss Meseberg in Brandenburg soll das ändern.

Die politische Sommerpause ist zu Ende. In der kommenden Woche geht der Parlamentsbetrieb im Bundestag wieder los. Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche bereits trifft sich das Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu einer Klausurtagung auf Schloss Meseberg in Brandenburg. Die Stimmung in der Koalition ist schlecht, in den vergangenen Tagen fielen Vertreter der drei Ampel-Parteien öffentlich übereinander her. Angesichts stark gestiegener Energiepreise im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine steht die Koalition unter einem enormen Handlungsdruck. Ein Überblick.

 

Reden und arbeiten Vier Monate liegt die letzte Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin zurück. Bereits damals standen Russlands Krieg und seine Auswirkungen im Zentrum der Gespräche. So wird es in den kommenden beiden Tagen wieder sein. Es geht unter anderem um die Energieversorgung und die Entlastung der Bürger angesichts stark gestiegener Preise. Die Regierung arbeitet an einem dritten Entlastungspaket. Themen der Klausur sollen aber auch Digitalisierung, berufliche Bildung und die nationale Sicherheit sein. Zugleich geht es ums Atmosphärische: In der Koalition liegen die Nerven blank. Im Herbst drohen Inflationsraten von rund zehn Prozent, die Volkswirtschaft dürfte wegen der anhaltenden Energiekrise dann auch in eine Rezession abrutschen. Nur rund jeder dritte Deutsche ist mit der Arbeit der Regierung zufrieden. Die drei Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sind bestrebt, sich zu profilieren – notfalls gegen die Partner.

Alle gegen Habeck Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) ist der beliebteste Politiker in Deutschland. Viele Bürger schätzen die Art und Weise, wie er die Energiekrise managt und seine Politik erklärt. Nun hat Habeck den ersten großen Fehler begangen: Die Gasumlage, mit der angeschlagene Erdgas-Importeure vor dem Zusammenbruch bewahrt werden sollen, droht zum Selbstbedienungsladen für Energiekonzerne zu werden. Und zwar zu Lasten sämtlicher Gaskunden, die ab Oktober 2,4 Cent je Kilowattstunde extra zahlen müssen. Es haben nämlich auch Unternehmen Anspruch auf Zahlungen, die zwar unter stark gestiegenen Beschaffungskosten für Erdgas ächzen, aufgrund hoher Gewinne beim Strom aber profitabel arbeiten.

Habeck kündigte inzwischen an, den Konstruktionsfehler beheben zu wollen. Der politische Schaden ist aber da. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte Habeck zuletzt „handwerkliche Fehler“ vorgeworfen und gesagt, am Ende zählten in der Politik „nicht nur schöne Worte“. Die FDP forderte Habeck auf, bereits bis zum Beginn der Kabinettsklausur Änderungen an der Umlage vorzunehmen. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz ätzte auf Twitter, die „schlechte Performance des Bundeskanzlers, seine miesen Umfragewerte“, Erinnerungslücken im Cum-Ex-Finanzskandal sowie seine Verantwortung bei der Gaspipeline Nord Stream 2 würden „durch unloyales Verhalten und Missgunst in der Koalition“ nicht geheilt.

Jede Menge Baustellen Die Gasumlage ist allerdings bei weitem nicht das einzige Thema, bei dem es innerhalb der Koalition gewaltig knirscht. Die Liberalen etwa machen gemeinsam mit der oppositionellen Union Druck, dass Deutschland angesichts der stark gestiegenen Energiepreise die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke länger am Netz hält und nicht wie geplant zum Jahresende abschaltet. Das wollen die Grünen und die SPD nicht – wenngleich inzwischen Bewegung in die Sache gekommen ist und der Wirtschaftsminister einen „Stresstest“ für den Strommarkt in Auftrag gegeben hat. Unmut gibt es in der Koalition auch, weil die FDP sowie ihr Chef Christian Lindner trotz Energie- und Klimakrise ein Tempolimit auf Autobahnen oder eine Reform der Dienstwagenbesteuerung ablehnen. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing ist zudem eher langsam unterwegs, wenn es um eine Anschlussregelung für das 9-Euro-Ticket geht. Kürzlich erst bescheinigten ihm Regierungsgutachter überdies zu wenig Ehrgeiz beim Klimaschutz. Kanzler Scholz wiederum muss sich auch von den Koalitionspartnern immer wieder vorhalten lassen, bei der Militärhilfe für die Ukraine zu wenig Tempo zu machen.

Entlasten – aber richtig Zwei Entlastungspakete zugunsten der Verbraucher hat die Koalition bereits auf den Weg gebracht. Das dritte wird diese Woche erwartet. Finanzminister Lindner setzt vor allem auf Änderungen am Steuertarif. Er will das Geld beisammenhalten und 2023 unbedingt wieder die Regeln der Schuldenbremse einhalten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) meldete sich am Montag mit der Forderung zu Wort, den Tankrabatt über das Monatsende hinaus zu verlängern. Die SPD-Bundestagsfraktion legte eigene Vorschläge für Entlastungen vor: Unter anderem soll es einen Strom- und Gaspreisdeckel für den Grundbedarf geben – was auch die Grünen befürworten. Die SPD-Fraktion will überdies Direktzahlungen für Menschen mit wenig Geld, dieses Mal auch für Rentner und Studenten. Für den Nahverkehr soll es ein bundesweites Ticket für 49 Euro geben. Gas- und Stromsperren sollen ausgeschlossen werden. Zudem soll es sechs Monate Kündigungsschutz für Mieter geben, die ihre Nebenkosten nicht bezahlen können. Die Abgeordneten fordern auch eine Übergewinnsteuer für Energiefirmen, die von der Krise profitieren.