Nach 150 Jahren könnte der Wolf nach Baden-Württemberg zurückgekehrt sein. Nahe der A5 bei Lahr ist ein überfahrenes Tier gefunden worden, das ein junger Wolf sein könnte. "Es ist sehr wahrscheinlich ein Wolf“, sagte Wildbiologe Micha Herdtfelder am Donnerstag.

Lahr - Es lag neben der Autobahn. Straßenarbeiter fanden das totgefahrene Tier bereits am Montagabend bei Routinekontrollen und ahnten die historische Dimension ihres Funds: Was da lag, war kein Hund, wie sie ihn so oft finden, sondern womöglich ein Wolf - der erste im deutschen Südwesten seit mehr als 150 Jahren. Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg bestätigten die Vermutung recht rasch, und am Donnerstagmorgen verkündete auch das Land die Sensation: Es könnte sich um einen jungen Wolf handeln, ließ der Minister für den ländlichen Raum, Alexander Bonde (Grüne), mitteilen.

 

Bei den Schäfern schrillten die Alarmglocken: In Baden-Württemberg sei man noch nicht gut genug auf die Rückkehr vorbereitet, hieß es beim Landesschafzuchtverband. Es sei noch nicht klar, ob der Herdenschutz anderer Länder sich auf die spezifischen Begebenheiten hierzulande übertragen ließe, sagte Geschäftsführerin Anette Wohlfarth. „Die Schäfer sind stark beunruhigt.“ Wie der Herdenschutz bei der traditionsreichen Wanderschäferei und an steilen Flächen funktioniere, solle ein Projekt zeigen, das aber jetzt erst anlaufe.

"Es ist sehr wahrscheinlich ein Wolf"

"Es ist sehr wahrscheinlich ein Wolf", sagte FVA-Wildbiologe Micha Herdtfelder am Donnerstag. Hundertprozentige Sicherheit könnten aber erst Untersuchungen in den nächsten Wochen geben. Das tote Tier selbst sei auf dem Weg zum auf Wölfe spezialisierten Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Eine Genprobe wurde an das Senckenberg-Institut in Frankfurt geschickt. Von dort würden Ende nächster Woche erste Ergebnisse erwartet, sagte Herdtfelder. Auch Labore in der Schweiz und Frankreich haben Proben.

Es wäre Isegrims Rückkehr in den deutschen Südwesten nach mehr als 150 Jahren. Nachdem er in den vergangenen Jahren in immer mehr Bundesländer gekommen ist, wird der Wolf seit Jahren auch im Südwesten zurückerwartet. Das letzte Exemplar in Württemberg wurde 1847 erlegt, das letzte badische 1866 bei Zwingenberg im Odenwald.

Woher der Lahrer Wolf kommt, ist laut Herdtfelder noch komplett unklar. Er könne sowohl aus der ostdeutschen Population stammen als auch aus den nahen Vogesen oder den Schweizer Alpen nach Deutschland eingewandert sein. „Das lässt sich schwer sagen, zumal Wölfe sehr weit wandern.“ Bislang gehe man von einem Einzelgänger aus, der „aus welchen Gründen auch immer“ durch die Ortenau strich.

Nabu ist wenig überrascht über den Wolfsfund

Das Land sieht sich gut vorbereitet: Sollten die Labore den Wolfsfund bestätigen, greife ein Handlungsleitfaden, hieß es im Ministerium. Auf Wunsch der Grünen stehen im aktuellen Doppelhaushalt 200 000 Euro zur Vorbereitung auf den Wolf. Laut Naturschutzexperte Markus Rösler wird mit dem Geld ein Projekt speziell für Schäfer und andere Tierhalter gefördert. Erprobt werden spezielle Herdenschutzhunde, die Wölfe verjagen und möglichst wolfssichere Zäune. Der Leitfaden sieht vor, eine sogenannte Koordinationsgruppe Wolf einzuberufen, in der sich neben den zuständigen Behörden auch Naturschutz-, Jagd- und Landnutzerverbände treffen.

Der Wolf unterliege internationalen Artenschutzbestimmungen sowie als streng geschützte Art den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Leitfaden regelt neben Zuständigkeiten und der Überwachung der Tiere auch einen von den Naturschutz- und Jagdverbänden mit Unterstützung des Landes getragenen Ausgleichsfonds Wolf. Er enthält 10 000 Euro, um etwa geschädigten Schäfern unbürokratisch zu helfen. Verwaltet wird der Fonds bis 2018 von Naturschutzbund.

Nabu-Landeschef Andre Baumann war „wenig überrascht“ über den Wolfsfund. Im Grunde sei das Tier aber noch zu früh dran, denn es gebe noch einiges zu tun, bis man hier vollauf für die Rückkehr der Wölfe bereit sei - insbesondere beim Herdenschutz. Die Schafherden mit Zäunen oder Hunden zu schützen, sei im Südwesten besonders aufwendig. „Deshalb würde ich gerne an alle europäischen Wölfe appellieren: Lasst euch ruhig ein bisschen Zeit mit eurer Rückkehr!“