Die Klimaanlagen der Modellreihen unterhalb der S- und E-Klasse von Mercedes werden nun doch mit dem umstrittenen neuen Kältemittel R1234yf befüllt. Damit erfüllt Daimler nach langem Streit eine EU-Richtlinie.

Stuttgart - Der Kältemittelstreit zwischen Daimler und der EU-Kommission zieht sich schon fast drei Jahre hin. Nun kommt der Autohersteller der Brüsseler Behörde entgegen. Wie Daimler am Dienstag mitteilte, werden die Klimaanlagen der Modellreihen unterhalb der S- und E-Klasse von Mercedes nun doch mit dem umstrittenen neuen Kältemittel R1234yf befüllt. Daimler hatte sich zunächst geweigert, die von den US-Chemieriesen Honeywell und DuPont entwickelte Chemikalie zu verwenden. Sie ist zwar nicht so klimaschädlich wie das bisher übliche Kältemittel R134a, aber leichter entflammbar. Bei internen Tests hatte ein Mercedes der B-Klasse mit einer Klimaanlage auf Basis von R1234yf Feuer gefangen. Die Stuttgarter verwenden daher aus Sicherheitsgründen weiter R134a. Andere Hersteller meldeten dagegen keine Probleme und setzen teilweise bereits das klimafreundlichere R1234yf ein.

 

Die Vorgängersubstanz R134a trägt 1400-mal stärker zur Erderwärmung bei als das Klimagas Kohlendioxid (CO2). Die EU-Kommission hat deshalb entschieden, dass R134a bis Ende 2016 schrittweise vom Markt genommen werden muss. Weil Daimler das Mittel weiterhin einsetzte, hatte Brüssel sogar ein Verfahren wegen der Verletzung europäischen Rechts gegen die Bundesregierung eingeleitet. Nach Ansicht von Brüssel hätten deutsche Behörden den betroffenen Fahrzeugen keine Zulassung erteilen dürfen.

Die Vorgaben sollen auf zwei Wegen eingehalten werden

Nun lenkt Daimler ein. „Wir halten ab 1. Januar 2017 die gesetzlichen Vorgaben ein“, sagte ein Sprecher. Ansonsten könne Daimler in Europa keine Fahrzeuge mehr verkaufen. Die Brüsseler Klimaschutzvorgaben werden nun – je nach Modellreihe – mit zwei unterschiedlichen Strategien erfüllt. Die relativ hochpreisigen Fahrzeuge der S- und E-Klasse von Mercedes werden von 2017 an mit komplett neu entwickelten Klimaanlagen ausgeliefert, die mit dem klimafreundlichen und unbrennbaren Kältemittel CO2 arbeiten. Laut Daimler handelt es sich um die weltweit ersten Serien-Pkw, die diese Technik nutzen.

Bei darunter angesiedelten Baureihen wie der A-, B- oder C-Klasse will Daimler nun doch das bisher verpönte R1234yf verwenden – zumindest für eine nicht näher definierte Übergangsphase. Da sich an den Eigenschaften der Chemikalie nichts geändert hat – Daimler spricht diplomatisch von einem „anderen Entflammungspotenzial“ –, werden die Fahrzeuge technisch modifiziert, um den Kunden „ein gewohnt hohes Sicherheitsniveau zu bieten“. So soll eine Schutzeinrichtung verhindern, dass das Kältemittel bei einem schweren Frontalaufprall in Kontakt mit heißen Motorteilen gerät. Zudem setzt ein Gasgenerator im Fall des Falles das Edelgas Argon frei, das zusätzliche Kühlung bringen und eine Entflammung verhindern soll. Die Mehrkosten, die Daimler durch die technischen Änderungen entstehen, wollte der Sprecher nicht beziffern.

Der Zeitpunkt zur Einführung der CO2-Anlagen ist offen

Bis wann auch die kleineren Modellreihen eine CO2-Anlage erhalten sollen, ließ Daimler offen. Der Sprecher verwies auf die außerordentlich kurze Zeit für die erst vor rund zwei Jahren begonnene Entwicklung der neuen Technologie. CO2-Klimaanlagen arbeiten mit einem Druck von mehr als 100 bar – das entspricht etwa dem Zehnfachen der bisherigen Anlagen. „Daher müssen alle Komponenten sowie Leitungen und Dichtungen neu entwickelt werden“, teilt der Autobauer mit. Bislang habe man bereits einen dreistelligen Millionenbetrag in CO2-Klimaanlagen investiert, erste Produktionsaufträge an Zulieferer seien bereits vergeben worden. Da das geforderte Qualitätsniveau „nur für ein definiertes Volumen“ erreicht werden könne, „haben wir uns für die Einführung in S- und E-Klasse entschieden“, so der Sprecher.

Unmittelbar nach der Ankündigung von Daimler forderten mehrere EU-Politiker, dass die Brüsseler Kommission daraus Konsequenzen ziehen müsse. „Das wegen Daimler eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland muss ausgesetzt werden“, sagte der baden-württembergische FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer: „Statt weiter auf stur zu schalten und womöglich sogar vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, muss die Kommission sich der Verantwortung endlich stellen.“ Sein Grünen-Kollege Michael Cramer, der im Parlament dem Verkehrsausschuss vorsteht, forderte ebenfalls „einen sofortigen Stopp“ des Verfahrens, an dessen Ende die Bundesrepublik möglicherweise Strafzahlungen leisten müsste. „Die teure Nachrüstung der Autos zeigt doch, dass es Daimler nicht darum geht, Geld zu sparen, wie die EU-Kommission meint, sondern dass das vorgeschriebene Kältemittel brandgefährlich ist.“

EU-Kommission nimmt Ankündigung zur Kenntnis

Die Brüsseler Behörde selbst reagierte verhalten auf die Mitteilung aus Stuttgart. „Die EU-Kommission nimmt die Ankündigung von Mercedes-Benz zur Kenntnis“, sagte die Sprecherin der zuständigen Kommissarin Elzbieta Bienkowska der Stuttgarter Zeitung: „Wir werden die vorgeschlagene Lösung analysieren sowie, wenn es überhaupt welche gibt, die Folgen für das Vertragsverletzungsverfahren.“

Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht, doch berichtete ein Brüsseler Insider der StZ, der mit dem Vorgang bestens vertraut ist, dass sich die EU-Kommission intern bereits auf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verständigt habe: „Bienkowska hat ihren Diensten das grüne Licht dafür gegeben.“