Dichtung klingt wie Rockmusik – das hat die Prager Kafka Band in der Stuttgarter Liederhalle bewiesen in Kooperation mit dem Literaturhaus.

Ein beunruhigender Satz eröffnet Franz Kafkas Romanfragment „Der Process“: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Josef K. soll sich vor einem rätselhaften, kaum fassbaren Gericht verantworten, kennt aber den Grund nicht, weshalb über ihn ein Prozess geführt wird. Am Ende wird der Protagonist in einem Steinbruch hingerichtet – „Wie ein Hund!“, heißt es im Text.

 

Das Werk ist weltberühmt und auch in anderen Künsten – Film, Theater – verarbeitet worden. Die aus Prag stammende Kafka Band hat nun im Stuttgarter Mozartsaal Kafkas „Process“ genial vertont – als Abschluss einer Konzerttrilogie nach Kafkas beiden anderen Romanfragmenten „Das Schloss“ und „Der Verschollene“. Als Frontmänner fungieren der Schriftsteller Jaroslav Rudiš und der Comiczeichner Jaromir Švedik alias Jaromir 99.

Eine filmisch anmutende Klangwelt

Die Beschäftigung mit dem vielschichtigen Werk des jung verstorbenen, deutschsprachigen Böhmen kann schnell ausufern; die Kafka Band hat dagegen einen unmittelbaren, musikalischen Zugriff auf den „Process“ entdeckt. Neben Rudiš und Švedik als Sprecher und Sänger steuern fünf hervorragende Musiker den Soundtrack bei mit Gitarre, Keyboards, Bass, Glockenspiel, Schlagzeug und Trompete. Sie erzeugen in Stücken wie „Die erste Untersuchung“, „Maskenball“, „Advocat“ und „Dom“ nicht bloß die nach Kapiteln geordnete Vertonung des Romans, sondern eine eigenwillige, oft filmisch anmutende Klangwelt.

Die Stimmung der Erzählung übersetzt die Band in komplexen Alternative Rock, teils lasziv-schwül, oft tanzbar. Rudiš spricht dazu einzelne, teils sich wiederholende, rhythmische Textsequenzen auf Deutsch und Tschechisch und verweist damit auch auf Kafkas zweisprachigen Hintergrund. Schade fast, dass das Publikum im Mozartsaal auf Stühlen sitzt; atmosphärisch passt die druckvolle Musik viel mehr in die Clubs, wo eine neue Generation Kafka und dessen faszinierende Welt entdecken kann.