Die Deutsche Bahn will zumindest ein Kernnetz von Nachtzügen in Deutschland erhalten. Aber es soll Einschnitte geben, die die Mitarbeiter des Verkehrsunternehmens nicht akzeptieren wollen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Es ist ein positives Ergebnis, das die Deutsche Bahn dennoch verschweigt. Im April ließ Konzernchef Rüdiger Grube viele Fahrgäste der Nachtzüge befragen. Es gab zwar Klagen über mangelnde Pünktlichkeit und Qualität, aber die Umfrage zeigte vor allem, welch treues Stammpublikum die rollenden Hotels auf Schienen haben. Nur jeder vierte Fahrgast würde einen anderen Zug nutzen, wenn sein Nachtzug wegfiele. Der Konzern würde also Kunden verlieren. Eine Sprecherin mag die Ergebnisse weder bestätigen noch dementieren. „Richtig ist, dass Nachtzüge bei vielen Kunden beliebt sind, deshalb wollen wir das Angebot soweit möglich erhalten“, heißt es. Die Angebote seien aber teils „große Verlustbringer“.

 

Wie berichtet, will die Bahn deshalb alle Autozüge, zu denen auch Schlafwagen gehören, komplett einstellen und das Nachtzugnetz der 17 „City-Night-Line“-Verbindungen radikal ausdünnen. Die Züge sind teils veraltet; deren Austausch wurde immer wieder verschoben. Am 25. September wollen Beschäftigte der betroffenen Bahntochter European Railservice GmbH (DB ERS) vor der Bahnzentrale in Berlin gegen die Rotstiftpläne protestieren. Die ERS organisiert als Tochter der DB Fernverkehr bis jetzt den technischen Betrieb der Auto- und Nachtzüge, den Fahrkartenvertrieb sowie die Dienstleistungen der fahrenden Hotels.

Mit dem schleichenden Abbau der Zugangebote wurden in den letzten Jahren schon einige der vormals mehr als 500 Stellen gestrichen, Niederlassungen geschlossen und Mitarbeiter nach Berlin verlagert. Nun soll im Dezember die vormalige ERS-Zentrale in Dortmund ganz aufgegeben werden, wie eine Bahnsprecherin der StZ auf Anfrage bestätigte. Direkt betroffen seien rund 100 Mitarbeiter, denen Ersatzjobs im Bundesgebiet angeboten würden.

Verkehrsexpertin: Das System Schiene wird infrage gestellt

Die Linkspartei befürchtet, dass die Streichpläne insgesamt mehr als 1000 Jobs kosten könnten. Die Bundestagsfraktion will im Parlament eine Debatte erreichen. In einem Gruppenantrag (Drucksache 18/2494) fordert die Verkehrsexpertin Sabine Leidig, dass der Bund als alleiniger Bahn-Eigentümer darauf hinwirkt, dass die in diesem Jahr bereits vollzogenen Kürzungen bei Auto- und Nachtzügen zurückgenommen werden. Stattdessen soll ein zweijähriges Moratorium gelten, in dem durch eine Studie von Experten Alternativen geprüft werden. Ziel müsse sein, eine „nachhaltige Reisekultur in Europa zu fördern“ und dafür transnationale Verbindungen auszubauen statt einzustellen, fordern die Abgeordneten. Nachtzüge gebe es in Deutschland seit 162 Jahren, Autozüge seit fast 60 Jahren. Beide seien feste Bestandteile des Angebots. Es gehe um Verkehrsbedürfnisse der Allgemeinheit, für deren Wohl laut Grundgesetz der Bund zuständig sei.

Die Zerstörung immer weiterer Bestandteile stelle das System Schiene insgesamt infrage, warnt Sabine Leidig. Entgegen den offiziellen Darstellungen der Bahn seien die Nachtzüge weiter sehr gefragt, betont die Verkehrsexpertin unter Verweis auf Angaben von ERS-Betriebsräten. Demnach sei die Fahrgastzahl seit 2009 um fast ein Fünftel gestiegen, die Auslastung hoch und viele Züge seien lange vor Abfahrt ausgebucht – und das trotz des Abbaus von Kapazitäten und Qualität und zu geringen Investitionen. Verwiesen wird zudem auf eine – von der Bahn selbst in Auftrag gegebene – Studie der International Union of Railways (UIC), die dem Nachtzugverkehr großes Potenzial bescheinige, besonders auch auf den neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken. So könne die Fußball-EM 2020, die in 13 Ländern stattfinden soll, ein Fixpunkt für den Aufbau eines modernen Nachtzugsystems als Alternative zu klimaschädlichen Flügen sein.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert, dass der Staatskonzern die Chancen des Nachtzugverkehrs bisher zu wenig genutzt habe. Besonders beim Service im Zug und der Pünktlichkeit gebe es große Probleme, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der StZ. Bei einem Treffen von Verantwortlichen des Schienenkonzerns mit Verbraucherverbänden hatte Naumann aber den Eindruck, dass zumindest ein Kernnetz von Nachtzügen in Deutschland zwischen den großen Städten erhalten bleiben soll. Die Hälfte des Wagenparks werde wegen Überalterung und Mängeln aber aussortiert. „Deshalb sollen vor allem internationale Verbindungen zum Beispiel nach Frankreich wegfallen, wo zudem hohe Trassen- und Abstellgebühren die Nachtzüge unwirtschaftlich machen“, berichtet Naumann von den Gesprächen mit der Bahn.