Vorurteile begleiten Kai Bosch aus Backnang durchs Leben. Doch der Spastiker und Stotterer ist Optimist und ein gefragter Comedian. Am Sonntag zeigt der SWR einen Film über ihn.
Jeder Mensch hat Vorurteile. Steffen König hat aber etliche weniger davon in der Schublade, seit er viel Zeit mit Kai Bosch verbracht hat. Zehn Tage lang begleitete der Filmemacher den Comedian, Moderator, Poetry-Slammer und selbst ernannten Inklusionsbotschafter aus Backnang (Rems-Murr-Kreis) mit einem Filmteam.
Er dokumentierte Auftritte Kai Boschs im Comedy Schuppen in Bielefeld und in der Stuttgarter Rosenau. War mit von der Partie, als Kai Bosch seinen Fußballverein VfB Stuttgart im Stadion anfeuerte und sich mit Freundinnen und Freunden, beispielsweise dem Zauberkünstler Nikolai Striebel, traf. Steffen König hat Kai Boschs Eltern und die Mitbewohner seiner WG kennengelernt und viele Stunden unterwegs verbracht, denn: „Kais Leben findet meinem Eindruck nach zu 90 Prozent im Zug statt.“
Kai Bosch: Poetry-Slam-Landesmeister und Kleinkunstpreis
„Mir war wichtig, Kai erleben zu können, ihm zuzusehen, wie er durch den Alltag kommt“, sagt Steffen König über die Dreharbeiten für seinen Film. Dieser läuft an diesem Sonntag, 22. Juni, ab 17.30 Uhr im SWR-Fernsehen und porträtiert einen Menschen, der sich, so formuliert es Steffen König, „wackliger durch die Welt bewegt als andere“. Denn Kai Bosch ist Tetraspastiker – und er stottert seit seiner Kindheit.
Seinen Traum, mit selbst geschriebenen Texten vor Publikum aufzutreten, hat er trotzdem verwirklicht, obwohl das zunächst wegen seines Stotterns unmöglich schien. Doch durch eine spezielle Stottertherapie, die er mit 17 Jahren begann und mit viel Disziplin durchzog, machte er solche Fortschritte, dass er schon als Schüler mehrere Auftritte als Poetry-Slammer hatte. Wenig später wurde er erst baden-württembergischer U 20-Meister im Poetry Slam und gewann dann im Jahr 2022 die baden-württembergische Meisterschaft. Bei seinen Auftritten ist es Kai Bosch immer ein Anliegen, für mehr Toleranz gegenüber Menschen mit Behinderung zu werben. Was diese und die Chance auf Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Gesellschaftsleben angehe, sei durchaus Luft nach oben, ist Steffen Königs Fazit nach den Filmarbeiten.
Kai Bosch schreibt schon seit Teenager-Tagen
Diese haben so manches verändert. „Kais Behinderung sehe ich mittlerweile gar nicht mehr und ich hoffe, dass sich der Effekt auch bei den Zuschauern einstellt“, sagt Steffen König. Dass Kai Bosch schon seit Teenager-Tagen schreibt und vor mehr als zehn Jahren sein erstes Buch „Laberaffe“ veröffentlich hat, findet er beeindruckend. Rund zwölf Stunden Filmmaterial hat Steffen König während der zehn Drehtage mit Kai Bosch gesammelt, das er dann zu einem 30-Minuten-Film eindampfen musste. In dem will er zeigen, dass Kai Bosch „nicht nur Teilhabe predigt, sondern auch lebt“.
Ein Praktikum bei „Das Ding TV“ hat Steffen König zum Fernsehen gebracht: „Da habe ich mich ins Filmemachen verliebt.“ Seine Studienfächer waren Philosophie und Journalismus, studiert hat er in Karlsruhe. Daran schloss sich ein Volontariat beim SWR an, wo Steffen König heute Beiträge für die Kulturredaktion produziert und Geschichten über interessante Menschen erzählt. Was es bedeutet und mit sich bringt, Bühnenkünstler zu sein, das weiß er nun dank der Zeit mit Kai Bosch sehr genau: „Ehrlich gesagt wollte ich nicht tauschen.“
Frustrierende Erlebnisse wandelt Kai Bosch in Humor
Für seinen Sohn seien die Auftritte eine Art Ventil, sagt Kai Boschs Vater im Film. Das sieht der Comedian ähnlich: Viele frustrierende Erlebnisse, meistens sind es Reaktionen der Umwelt auf seine Behinderung, verarbeitet er zu teils bitterbösen Pointen und sagt: „Das ist mein Weg, mit solchen Situationen meinen Frieden zu machen.“ Das Publikum hört aufmerksam zu – selbst wenn Kai Bosch vielleicht etwas mehr Zeit benötigt.
„In dem Moment, in dem er auf die Bühne geht, ändert sich alles. Da wird er nicht ständig unterbrochen, da hat er die Macht“, bestätigt Steffen König, der Kai Bosch als „tolle Persönlichkeit mit ansteckendem Optimismus“ beschreibt. In seinem Film wolle er zeigen: „Kai ist der beste Beweis dafür, was wir verpassen, wenn wir unsere Mitmenschen in Schubladen packen, statt unsere Vorurteile zu hinterfragen.“
Sendetermin
Sonntag
Der Film über Kai Bosch läuft am Sonntag, 22. Juni, ab 17.30 Uhr im SWR-Fernsehen. Danach ist er in der ARD-Mediathek und auf YouTube zu sehen.