Beim Aktionstag „Ebnisee für Alle“ können Besucher Spinnen einsaugen oder versuchen, heimischen Didgeridoos einen Ton zu entlocken. Die Veranstaltungsreihe ist Teil der Bemühungen um einen barrierefreien Tourismus im Schwäbischen Wald.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Kaisersbach - Ich hab ein Tier!“ Jasmin kneift ein Auge zu und hält einen Plexiglasbecher mit zwei Kunststoffschläuchen wie eine Trophäe vors Gesicht. Die Achtjährige aus Schwäbisch Gmünd-Lindach ist mit ihrer Mutter und einem Freund an den Ebnisee gefahren, um – wie sie sagt – in den Ferien auch mal etwas in der Natur zu unternehmen. Am Rand des Gewässers lädt der Naturparkführer Walter Hieber zur Kleintiersafari ein. Wer möchte, kann sich eine olivfarbene Entdeckerweste überstreifen und mit Utensilien wie dem Insektensauger die Fauna auf für diese schonende Weise erforschen. Hiebers Stand ist einer von mehreren Stationen, an denen die Natur in dem Naherholungsgebiet auf spielerische Art näher gebracht wird. Bereits im siebten Jahr ist dort gestern die Aktion „Ebnisee für Alle“ angeboten worden – zum ersten Mal in den Sommerferien und unter der Woche.

 

Die Veranstaltungsreihe ist gewissermaßen die Keimzelle eines integrativen Konzepts, das einen barrierefreien Tourismus im Naturpark Schwäbischer Wald verfolgt. Seit rund sieben Jahren bemüht sich der Naturparkverein mit verschiedenen Partnern intensiv darum, die Begegnung von Menschen mit und ohne Einschränkungen zu fördern. Man versuche zum einen, Attraktionen zu schaffen, die solche Begegnungen ermöglichen, zum anderen gelte es, Hemmnisse abzubauen, sagt der Naturpark-Geschäftsführer Bernhard Drixler.

Als ein Vorzeigeprojekt gilt der gut zehn Kilometer entfernte Fornsbacher Waldsee. Dort sind am Seeufer mit Hilfe von EU- und Landesmitteln nicht nur mehrere barrierefreie Einstiegsstellen für geh- und sehbehinderte Besucher sowie rollstuhlgerechte Liegeplattformen angelegt worden. Es gibt neben den normalen Tret- und Ruderbooten auch eines mit Handkurbelbetrieb. Darüber hinaus sollen sich nichtbehinderte Menschen durch Angebote wie das Freiluftspiel „Blinde Kuh à la Dart“ in die Welt von Menschen mit Einschränkungen einfühlen können. Mit verbundenen Augen kann man sich durch einen Parcours bewegen und versuchen, am Ende möglichst in der Mitte eines markierten Zielbereiches zu stehen.

Am Ebnisee hingegen verfolge man ein etwa anderes Konzept, sagt der Ebniseevereinsvorsitzende Konrad Jelden. Eine derartige Infrastruktur wie an dem Murrhardter See, wo es auch einen Campingplatz gibt, wolle man gar nicht schaffen. Der Ebnisee solle weiterhin ein Naturkleinod bleiben, betont Jelden: „Wir müssen uns genau überlegen, was wir zulassen.“ Dennoch versuche man behutsam, die Natur auch für Menschen mit Handicap erlebbar zu machen. So sei bereits vor geraumer Zeit der Weg an einer Uferseite so gestaltet worden, dass er auch mit einem Rollstuhl befahrbar ist, und schon vor 17 Jahren habe man im Bereich der Waldschenke eine behindertengerechte Toilette eingerichtet. Eine zweite ist jetzt auf der anderen Seite des Sees, am Parkplatz beim Kiosk, aufgestellt worden. 60 000 Euro hat der Ebniseeverein in einen Anbau und die Renovierung der Toilettenanlage investiert (siehe auch „Der Euro-Toilettenschlüssel“) .

Jasmin hat derweil ihre Forschertätigkeit eingestellt. Die Spinne und die Schwebefliege, die sie – nacheinander – in den Behälter eingesaugt hatte, sind wieder freigelassen. Jetzt will sie noch einmal bei Schwirrholz, Nasenflöte und Klangauge vorbeischauen. Der Musik- und Erlebnispädagoge Andreas Deuschle verblüfft mit ungeahnten Klangerlebnissen. Auch selbst gebaute Didgeridoos hat er im Repertoire. „Sind die original australisch?“ will ein Besucher wissen. „Nein, aus dem Baum im Garten meines Schwiegervaters.“

Der Euro-Toilettenschlüssel

Ebnisee
: Beide Toiletten am Ebnisee sind mit einem speziellen Schloss ausgestattet. Menschen, deren Behinderung mit mindestens 70 Prozent eingestuft wird, können für 18 Euro einen Schlüssel erwerben, der dazu passt.

Europaweit
: Der Schlüssel kann nicht nur am Ebnisee verwendet werden. Der „Club Behinderter und ihrer Freunde in Darmstadt und Umgebung“ (CBF), der den Euro-Schlüssel vertreibt, listet in seinem Verzeichnis „Der Locus“ 6700 entsprechende Toilettenstandorte in Deutschland und Europa auf.