Schokolade ist in aller Munde – doch es gibt sie nur mit Kakao. In Westafrika wird der Anbau der Bohnen immer schwieriger.

Stuttgart - Schokolade – es gibt sie in allen Formen und Farben, und für viele ist sie seit der Kindheit eine süße Verheißung. Mehr als acht Kilo Schokolade isst der Durchschnittsdeutsche im Jahr. Der Kakao für das braune Gold kommt zu großen Teilen aus Westafrika, besonders aus Ghana und von der Elfenbeinküste, wo die Bauern allerdings seit einigen Jahren mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen haben. „Ghana hat letztes Jahr einen Ertragseinbruch von 2,4 Prozent gesehen“, berichtet Thomas Cherico Wanger, Professor für Nachhaltigkeit, Landwirtschaft und Technologie an der Westlake University in China.

 

Um rund 20 000 Tonnen Kakao sei das Produktionsziel in der Saison 2018/19 verfehlt worden. Weltweit gab es zwar immer noch einen leichten Überschuss in der Kakaoproduktion, aber trotzdem steht ein irritierendes Szenario im Raum: Bald könnte es zu wenig Kakao für den weltweiten Bedarf geben – wobei der sogar ansteigt, da in asiatischen Ländern wie China und Indien die Nachfrage nach Schokolade wächst.

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„In der Tat sehe ich die Aussichten für Kakaoanbau nicht als sehr rosig an, zumindest wenn die Anbauweise nicht radikal verändert wird“, bestätigt Joachim Milz. Er beschäftigt sich seit 40 Jahren mit dem Thema Kakaoanbau und berät mit seiner Firma Ecotop Unternehmen, aber auch einzelne Kakaobauern, wie diese nachhaltiger arbeiten können.

Ein großes Problem für den Kakao ist der Anbau in Monokulturen ohne höhere Bäume, die Schatten spenden. In seiner ursprünglichen Heimat, dem Amazonas-Regenwald in Amerika, gehöre Kakao mit einer Höhe von neun Metern zu den kleineren Gewächsen, verdeutlicht Milz.

Mehr als die Hälfte der Anbaugebiete fällt weg

Ein anderes Problem ist der Klimawandel. Um 2,1 Grad Celsius soll die Durchschnittstemperatur laut Weltklimarat bis 2050 in Ghana und der Elfenbeinküste steigen. Die Hitze an sich ist dabei nicht das Problem für den Kakao, sondern die Trockenheit, die durch mehr Verdunstung entsteht. Dass mehr Regen fällt, um das auszugleichen, ist unwahrscheinlich. „Es gibt Studien, die eine Reduktion von weit über 50 Prozent der Produktionsgebiete in Westafrika annehmen“, berichtet Thomas Wanger.

Zur weltweiten Klimaveränderung kommen regionale Veränderungen in Westafrika, beschreibt Joachim Milz: „Nach meinem Blickwinkel ist der regionale Klimawandel – ausgelöst durch ständige Brandrodung, Entwaldung und Monokulturen – bedeutender als der globale Klimawandel. Der Kakaoanbau ist selbst Teil dieses Problems.“

Die Lösung ist für Milz klar – ebenso wie für alle anderen Befragten aus Industrie und Wissenschaft: Das Zauberwort heißt Agroforst-Anbau. „Das ist das einzige, was ich gesehen habe, was auch wirklich funktioniert“, betont Milz. Agroforst bedeutet, dass der Kakao buchstäblich im Wald wächst. „Wir pflanzen Kakao zusammen mit über 1200 zusätzlichen Bäumen.“

Im Regenwald wachse Kakao an Flussufern – durch Überschwemmungen und starke Winde brechen dort regelmäßig Äste von höheren Bäumen ab und ermöglichen dem Kakaobaum so Zugang zu mehr Sonnenlicht. Ecotop stutzt die höheren Bäume und erreicht diesen Effekt so ebenfalls – das ursprüngliche Ökosystem wird simuliert. Auch das Global Agroforestry Network, bei dem Thomas Wanger Mitglied ist, treibt die Forschung in diesem Bereich voran.

Ritter Sport setzt auf eigene Agroforst-Plantage

Ein weiterer Vorteil des Agroforst-Anbaus: Die Kakaobäume sind weniger anfällig für den Erreger der „Swollen-Shoot“-Krankheit, die in Westafrika seit Jahren große Probleme macht. „Unsere Studie zeigte, dass Kakao-Bäume in Agroforst Systemen weniger krank wurden als Kakao-Bäume die in Monokultur und ohne Beschattung wachsen“, sagt Monika Schneider, Leiterin der Abteilung Kakao und Agroforst beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau.

Auch das Schokoladenunternehmen Ritter Sport aus Waldenbuch setzt auf das Agroforst-Prinzip. „Wir haben eine eigene Plantage in Nicaragua“, berichtet Pressesprecherin Bianca Kulik. Seit 2012 arbeitet das Unternehmen an der Plantage, die – wenn sie den vollen Ertrag erreicht – einmal 20 Prozent des Kakaobedarfs von Ritter Sport decken soll. Bei dem Unternehmen seien Monokulturen zwischenzeitlich tabu.

Die Befürchtungen aus der Wissenschaft, dass der Kakao knapp werden könnte, teilt man bei Ritter Sport allerdings nicht. „Diese Nachricht kommt mindestens einmal im Jahr“, erklärt Pressesprecherin Petra Fix. Die Plantage sei keine Absicherung gegen einen drohenden Kakaomangel, sondern ein Schritt in Richtung einer transparenten Wertschöpfungskette. 2500 Hektar ist die Ritter Sport-Plantage groß – es sei eines der größten Kakao-Anbaugebiete weltweit, schreibt das Unternehmen auf seiner Homepage.

Bauern leben oft unter der Armutsgrenze

Ganz im Gegensatz dazu findet Kakaoanbau in Westafrika meist in kleinbäuerlichen Strukturen statt – auf Flächen von höchstens zwei Hektar. Dies sei ein Problem, da die Landwirte in ärmlichen Verhältnissen lebten und so zum Beispiel kranke Bäume lieber mit weniger Ertrag weiter bewirtschafteten, statt sie zu ersetzen. „Die Bauern haben oft keine finanzielle Möglichkeit, neu aufzupflanzen“, sagt Fix.

Auch Schneider sieht in dem geringen Einkommen vieler Kakaobauern ein Problem. Da ihre Betriebe so klein seien und der Preis für Kakao tief, lebten sie unter der Armutsgrenze. Dazu kommt die Überalterung. „Junge Menschen sehen im Kakao keine Zukunft und widmen sich lieber anderer Kulturen oder ziehen in die Stadt.“

Für Joachim Milz sind die kleinen Anbauflächen dagegen nicht die grundlegende Baustelle: „Es ist eher ein Problem des Wissens. Die Bauern werden und wurden jahrzehntelang falsch beraten.“ Dadurch, dass auf der gleichen Fläche mit dem Kakao in der Mischkultur Pflanzen wie Mais, Bohnen oder Bananen gedeihen können, werde das Einkommen der Landwirtsfamilien gesichert. „Ein Hektar kann sowohl ein gutes diversifiziertes Einkommen als auch Nahrung in Fülle liefern.“