Er gilt als Gründervater Kaliforniens: Junípero Serra gründete zahlreiche Missionsstationen an der Westküste Nordamerikas, aus denen Städte wie Los Angeles und San Francisco entstanden. Die Indios haben ihn nicht in besonders guter Erinnerung.

Am 23. September 2015 reiste Papst Franziskus in die USA, um einen Sohn der Mutter Kirche heiligzusprechen. Die Erhebung des spanischen Missionars Junípero Serra „zur Ehre der Altäre“ war höchst umstritten. Für die einen ist der Franziskanerpater ein Mann von heldenhaften Werten und Heiligkeit, der aus tiefer Überzeugung die Botschaft Jesu in Amerika verkündete.

 

Für die anderen ist er ein vom Glauben besessener Eiferer, dessen Missionswerk gleichbedeutend ist mit Unterdrückung und Vernichtung der indigenen Bevölkerung. Wer war dieser Mann, der zur Schlüsselfigur der Christianisierung in Kalifornien wurde und neun von insgesamt 21 Missionsstationen dort gründete?

Ein Leben nach Gottes Plan

Als Bauernsohn Miquel Josep 1713 in Petra auf Mallorca geboren, trat Serra mit 16 Jahren dem Bettelorden der Franziskaner bei. Dort unterwarf sich der fromme Adept den strengen Regeln des Armutsgelübdes und der Selbstkasteiung und hieß fortan Bruder Junípero, nach einem Gefährten des heiligen Franziskus.

Serra, für den es fortan nur noch ein Leben streng nach Gottes Plan gab, studierte zunächst Philosophie und Theologie am Convento de San Francisco in Palma und erhielt dann eine Dozentenstelle an der dortigen Universität Llulliana. Doch das Gelehrtendasein füllte den kaum 1,60 Meter großen Mann nicht aus.

Dornen unter der Kutte

1749 macht er sich in die Neue Welt auf, wo Männer von seinem Schlag gebraucht wurden, um das Wort Gottes zu verkünden. Nach drei Monaten auf See erreicht der Franziskanerpater zusammen mit weiteren Ordensbrüdern Vera Cruz am Golf von Mexiko, die älteste spanische Siedlung auf amerikanischem Festland.

Serra, der ein Büßerhemd aus Dornen unter seiner Kutte trug und seinen Auftrag darin sah, den Glauben in die Welt zu tragen, beginnt seine Missionstätigkeit in der Sierra Gorda im mexikanischen Hochland. Eifrig, manchmal übereifrig, versucht er, die Indianer über den Ackerbau an ein sesshaftes Leben zu gewöhnen.

Geißelung während der Predigt

Nach neun Jahren wird er nach Mexiko-Stadt beordert, wo er sich als wortgewaltiger Prediger einen Namen macht, der sich bei öffentlichen Auftritten mit großer Theatralik blutig geißelte.

Junípero Serra wäre wohl nicht weiter in die Geschichte eingegangen, wenn nicht ab den 1760er Jahren ein politischer Umbruch stattgefunden hätte. Spaniens König Karl III. sah Nueva España, wie die Spanier ihr riesiges Kolonialreich in der Neuen Welt nannten, bedroht.

Konkurrenz aus Europa

Aus Furcht, andere europäische Mächte könnten dort Fuß fassen, beorderte der Monarch 1769 eine Flottenexpedition an die größtenteils noch unerforschte Westküste Amerikas. Die Spanier nannten diese Region Alta California, Oberes Kalifornien, im Gegensatz zu Baja California, der lang gezogenen Halbinsel im Norden von Mexiko.

Der Auftrag lautete, das Gebiet, damals noch eine gottverlassene Gegend, für die spanische Krone in Besitz zu nehmen und die dort lebenden Eingeborenen zu treuen Untertanen zu machen. 1769 erhält der 56-jährige Serra den Ruf, die Mission im Oberen Kalifornien zu übernehmen.

Einst Missionsstation, heute Metropole

Begleitet von einer Handvoll Soldaten bricht er auf und gründet noch im gleichen Jahr seine erste Missionsstation: San Diego – benannt nach einer Heiligenfigur aus seiner Dorfkirche in Petra. Sie wird zum Ausgangspunkt für die Kolonialisierung Kaliforniens, der weitere Missionen folgen werden, darunter San Carlos Borroméo de Carmelo (1770) und San Francisco de Asis (1776).

Um das Wort Gottes zu verkünden und die getauften Eingeborenen fester in der Glaubensgemeinschaft zu verwurzeln, lernt Serra die Sprache der Indianer, verfasst ein Lehrbuch für den Glaubensunterricht und wandelt die Missionen in autonome Dörfer um. Außer Kirchen entstehen Schulen, Schmieden und Webereien. Neben dem Glauben vermitteln die Padres auch das Töpferhandwerk, die Herstellung von Seife und landwirtschaftliche Anbau- und Erntemethoden – darunter den Weinbau.

Schattenseiten der Mission

Doch das Missionswerk hatte auch seine Schattenseiten, da es weder friedlich noch freiwillig verlief und die koloniale Fremdbestimmung zum Verlust der kulturellen Selbstbestimmung der „Native Americans“ führte. Aus Sicht der Missionare waren die Indigenen primitive Geschöpfe, die sie für unfähig befanden, ihre eigenen Angelegenheiten regeln zu können.

Die Indios mussten sich einer strengen Disziplin unterwerfen, mussten nicht nur ihren Glauben, sondern auch ihre Sprache, ihre Essgewohnheiten, ihre traditionelle Kleidung und ihre ehelichen Bräuche aufgeben. Um einen Rückfall in die alte Lebensform zu verhindern, durften die Einheimischen die Missionen nicht mehr verlassen.

Harte Strafen für unbotmäßige Untertanen

Wer nicht spurte, wurde hart bestraft. Indianer, die mehrfach versucht hatten, zu flüchten, überstellte Serra dem lokalen Militärkommandanten und empfahl auch gleich, wie mit ihnen zu verfahren sei: „Ich schicke sie zu Ihnen, damit zwei oder drei Auspeitschungen an verschiedenen Tagen – je nach Belieben Ihrer Lordschaft – ihnen und anderen eine Warnung sind.“

Allerdings gab es auch subtilere Mittel, um die Indios in den Missionsstationen zu kasernieren. Neugeborene wurden direkt nach der Geburt getauft und nach wenigen Jahren den Eltern weggenommen, da sie als Christen nicht bei Ungläubigen aufwachsen könnten. Ihre Eltern zogen daraufhin ebenfalls in die Missionen, um bei ihren Kindern zu sein. „So wurde die Taufe als Druckmittel eingesetzt“, sagt der US-Historiker Steven Hackel. „War ein Missionsbewohner gestorben, wurden dessen Überreste nur herausgegeben, wenn die Verwandtschaft sich ebenfalls taufen ließ.“

Tausenden fallen Krankheiten zum Opfer

Mit Nächstenliebe hatte dies wenig zu tun, zumal die Missionierung nichts anderes als eine erzwungene Assimilation war. Nicht wenige Nachfahren der Ureinwohner lasten Serra an, ihre Ahnen versklavt und die kulturelle Identität der indigenen Bevölkerung zerstört zu haben. Ganz zu schweigen von den Tausenden, die den von den Europäern eingeschleppten Krankheiten zum Opfer fielen. Junípero Serra, der „Apostel Kaliforniens“, starb 1784 in Carmel, wo der umstrittene Heilige auch begraben liegt.