Kaltes Atlantikbad, heißes Algenbad Wellness auf Irisch

Algen und Atlantik am Strand von Enniscrone Foto: Bettina Bernhard

An Irlands Westküste stürzen sich Menschen jederzeit in den kalten Atlantik und suhlen sich gern in heißen Algen.

Freizeit & Unterhaltung: Bettina Bernhard (bb)

Kilometer lang zieht sich ein feiner Sandstrand entlang der ansonsten oft steil aufragenden, spektakulären Nordwestküste von Irland. Hell und einladend rekelt er sich unter blauem Himmel zwischen der leuchtend grünen Vegetation der Küstenlandschaft und dem türkisblauen Meer mit silberfarbenen Schaumkrönchen. Minuten später schaltet der Himmel auf Drama um, dunkle Wolken ballen sich über der grafitfarbenen See, schwarze Schatten wandern über den Sand, die Konturen verwischen im Nieselregen. Nicht gerade Badewetter, möchte man meinen.

 

Aktivitäten finden in Irland bei jedem Wetter statt

Welch ein Irrtum! In Irland ist immer Badewetter, sommers wie winters, bei gutem wie bei schlechtem Wetter. Wobei kein Ire Regen als schlechtes Wetter bezeichnen würde – verdankt die Insel dem häufigen Segen von oben doch ihre Fruchtbarkeit und ihre Naturschönheit.

„Aktivitäten finden in Irland bei jedem Wetter statt“, hatte Reiseführerin Ela Sooder gleich zu Beginn vorgewarnt, als ihre Gäste zweifelnd vom Programm in der Hand zur dunklen Front am Himmel schauten.

Also gut. Wenn jetzt und hier am Strand von Enniscrone Schwimmen angesagt ist, dann wird halt geschwommen. „Überall an Irlands Küsten baden die Menschen, 365 Tage im Jahr, bei jedem Wetter“, schwärmt die Schweizerin, die seit vielen Jahren in Irland lebt und den regelmäßigen Besuch im Meer längst auch für sich als Wellness pur entdeckt hat. Es stärke nicht nur Körper und Kreislauf, sondern belebe, erfrische und befreie auch den Geist, meint Ela Sooder. Na dann los.

Für jedes Grad eine Minute im Wasser

Die Wassertemperatur fällt in Irland dank Golfstrom selten unter sieben Grad, steigt aber selbst im Hochsommer auch kaum über 15 Grad. Als passendes Maß zum Bad in der Irischen See gilt: Für jedes Grad eine Minute – also wenige Minuten im Winter und gut eine Viertelstunde im Hochsommer. Für den verweichlichten gemeinen Mitteleuropäer scheint das schlicht unmöglich.

Irlands Nordwesten Foto: StZN/Lange

Doch befolgt man den Ratschlag, auf jeden Fall weiter ruhig zu atmen und es einfach mal auszuhalten, stellt sich alsbald Faszination ein. Der ganze Körper beginnt zu prickeln, der Kopf wird wunderbar leer, alles konzentriert sich aufs Sein. Ist es kalt? Schon, aber das ist eigentlich egal, denn das pure Fühlen ist überwältigend. Auch die Heldengefühle sind sofort präsent, wenngleich es beim ersten Versuch nur ein ziemlich kurzer Atlantikausflug wurde. Bekannt wurde Irlands Westküste jedoch für eine andere Art therapeutischer Wasseranwendung: Algenbäder. Früher galten sie als das Mittel der Wahl zur Linderung von Schmerzen bei Rheuma und Arthritis, heute schätzt man sie wegen ihrer wohltuenden Wirkung fürs allgemeine Wohlbefinden. Die Damen kommen zur Haut-Kosmetik, die Sportler zur Regeneration nach dem Training, das gestresste Management zur Selbsterfahrung beim Natur-pur-Tauchbad. Die Bauern der Region schwören besonders im Herbst auf das Bad in frischem Fucus-Seegras und warmem Atlantikwasser. Nichts helfe besser gegen Gelenkschmerzen.

Eine Badeanstalt im Retro-Charme

Die Heilkraft des Algenbades steckt in der hohen Jodkonzentration, die die Algen aus dem Meerwasser filtern und in ihren Blättern konzentrieren. Mit der Rückbesinnung auf natürliche Heilmittel und traditionelle Methoden sind die Algenbäder in Irland wieder im Kommen. Ganz weg waren sie freilich nie, nicht hier an der Westküste, wo sich Anfang des 20. Jahrhunderts noch Hunderte von Badehäusern reihten.

In Enniscrone eröffnete 1902 das Kilcullen’s Bath House, und die Presse feierte den Edwardianischen Bau damals als topmodernes Badehaus. Heute ist es eine historische Badeanstalt mit wunderbarem Retro-Charme, geführt immer noch von den damaligen Eignern, mittlerweile in fünfter Generation. Brenda Smith betreut das Seealgenbad seit mehr als 20 Jahren. Ihr ältester Stammgast ist 96 und kommt wöchentlich.

Badekabinen Baujahr 1912 Foto: Failte Ireland

Sie selbst steigt einmal im Monat in eine Wanne voller Algen, wie sie diese auch ihren Kunden präsentiert: In den Original erhaltenen Badekabinen zieren Fliesenbilder die beige und grün gemusterten Wände, die Kupferarmaturen sind golden gestrichen. Ein schräger Schrank mit Tür und Loch entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Schwitzkasten. Türe auf, Hockerbrettchen auf die richtige Höhe einstellen, Handtuch drauf, hinsetzen, Klappe zu, sodass nur der Kopf noch oben rausschaut, und dann mit der Hand am Hebel ziehen – schon steht das Ding unter Dampf. „Das öffnet die Poren“, erklärt Bademeisterin Brenda.

Büschel dunkelgrüner Algen in der Wanne

Derart sensibilisiert soll der Gast in die Wanne steigen, ein gusseisernes frei stehendes Gestell, weiß marmoriert. Auf der ganzen Länge schwimmen Büschel dunkelgrüner glänzender Algen, das Wasser schimmert grünlich, der Wannenboden ist nicht zu sehen. Der Einstieg kostet ein bisschen Überwindung, obwohl Brenda versichert, dass da nix mehr lebt.

Die Algen, die von den Mitarbeitern des Seebades – darunter der Urenkel des Badgründers, Cain Kilkullen – morgens am Strand vor der Tür eingesammelt und mit dem Traktor ins Gebäude hinaufgebracht werden, sind handverlesen. Vor der Anwendung werden sie kurz unter Dampf gesetzt, damit sie schön grün gegart sind. Eventuell noch versteckten „Mitbewohnern“ macht das vollends den Garaus. Für sechs Vollbäder reicht ein Sack Algen. Nach dem Gebrauch schaufeln Brenda und ihre Mitstreiter das Grünzeug in Tonnen, welche Gemüsebauern und Blumenzüchter zum Düngen abholen.

Also, jetzt aber rein in die Brühe. Angenehm warm ist sie, schmeckt leicht salzig und riecht nach Meer, dezent, nicht unangenehm. Auf der Haut fühlen sich die Algen weich an, nicht glibberig oder eklig. Der Rest ist Wohlbefinden. Fort sind die Gedanken von Krabben, die in den Po kneifen, und von Algenbüscheln, die den Hals umschlingen.

Der Weg zum Ausgang des Bades führt natürlich durch den Shop, wo es außer Informationen zu Algenarten und -vorkommen und einigen historischen Fotos und Einrichtungsgegenständen auch noch allerlei Algen-Zubereitungen gibt: Eingeschweißte Algenbäder zum Mitnehmen, Körperöl, Shampoo und Faltencreme. Falls die nicht hilft, hilft bestimmt ein Bad im Atlantik. Das durchblutet und strafft auch.

Irland

Anreise
 Von Stuttgart fliegt Eurowings direkt nach Dublin, www.eurowings.com . Umsteigeflüge bieten Lufthansa ( www.lufthansa.com ) oder KLM ( www.klm.de ).

Unterkunft
Fußläufig zum quirligen Zentrum von Sligo liegt in einer ruhigen Ecke das The Address Hotel. DZ/F ab 135 Euro, www.theaddresssligo.com .Hochherrschaftlich übernachtet man im Markee Courtgard. Das Anwesen beherbergt vor allem (Hochzeits-)gruppen, doch in den pfiffig renovierten Stallungen kann man sich auch als Individualreisender einbuchen. DZ/F ab 258 Euro, https://markeecourtyard.com

Essen und Trinken
Original irische Küche und Livemusik hat das Hardgadons im Herzen von Sligo, www.hargadons.com

Algenbäder
Wie in alten Zeiten in den historischen Kilcullen Seaweed Baths in Enniscrone, www.kilcullenseaweedbaths.net .Modern in den Voya Seeweed Baths in Strandhill, www.voyaseaweedbaths.com
Buchtipp
Vis-à-Vis Irland, Dorling Kindersley Verlag, 322 Seiten, 24,95 Euro.

Allgemeine Informationen
Irland Tourismus, www.ireland.com und www.failteireland.ie

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Irland Atlantik Infografik