Das Dementi ist dem Landesbauernverband so wichtig, dass es gleich doppelt erfolgt. Nein, man habe nichts mit jenem PR-Berater zu tun, der mit einem Internetblog und Newslettern Stimmung gegen das geplante Biosphärengebiet Allgäu-Oberschwaben macht. So versichert es eine Sprecherin in der Stuttgarter Zentrale: Jegliche Kontakte zu dem als „Sphärman“ agierenden Marcus Johst könne man „klar verneinen“. Es gebe keinerlei Auftrag an ihn, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erledige man selbst. Und so bekräftigt es, „damit kein falscher Eindruck entsteht“, auch der Verbandschef für Allgäu-Oberschwaben, Franz Schönberger. „Weder direkt noch indirekt“ gebe es Verbindungen zu Johst. Völlig unabhängig von ihm hätten sich die Landwirte mit dem möglichen Großschutzgebiet befasst – und sähen darin keine Vorteile, sondern nur Nachteile für die Region.
Auch von der Forstkammer Baden-Württemberg kommt ein klares Dementi. Nein, man habe die Kampagne gegen das Vorhaben der grün-schwarzen Koalition nicht in Auftrag gegeben und wisse auch nicht, wer dahinterstecke. „Eine kritische Auseinandersetzung mit dem laufenden Prozess halten wir für notwendig“, schreibt der Geschäftsführer Jerg Hilt, „allerdings legen wird dabei Wert auf eine sachliche Debatte.“
Persönliche Attacken auf Fürsprecher des Biosphärengebiets
Ganz ähnlich hatte sich die im Frühjahr formierte Allianz der Landeigentümer und Bewirtschafter geäußert, zu der auch die beiden Verbände gehören. Inhaltlich seien die Darstellungen des Bloggers wohl korrekt, „Stil und Ton“ aber wolle man nicht bewerten. Die Allianz bevorzuge „einen anderen Stil“, nämlich den Dialog, betont deren Sprecher Michael Fick, im Hauptberuf Förster des einstigen Adelshauses Waldburg-Zeil. Wer den PR-Mann mit Adressen in Berlin und Wien beauftragt habe und bezahle, wisse er nicht; die Allianz habe keinen Einblick in die geschäftlichen Aktivitäten ihrer Mitglieder. Die Distanzierung gilt einer Kampagne, wie sie vielleicht noch nie gegen ein politisches Vorhaben geführt wurde. Sie verbindet inhaltliche Kritik an den Plänen, in Oberschwaben nach Schwäbischer Alb und Südschwarzwald ein drittes Biosphärengebiet einzurichten, meist mit persönlichen Attacken auf die Akteure. Zuletzt traf es die Regierenden in Stuttgart, jeweils aus aktuellem Anlass. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich vor der Landespresse verwundert über den Widerstand aus der Region gezeigt, der ihm „etwas unerfindlich“ erscheine. Seine Erklärung: „Die Oberschwaben sind halt etwas dickköpfig.“
Alle Bewohner würden als begriffsstutzig abgekanzelt, weil sie den Segen des Projekts nicht erkennen – das rügte Johst als „irren Spruch des alten Herrn“. Agrarminister Peter Hauk (CDU) bekam sein Fett ab, obwohl er sich vor Ort trotz des laufenden Prüfprozesses klar gegen die Pläne ausgesprochen hatte: „Es darf kein Biosphärengebiet in Oberschwaben geben.“ Hauk und anderen skeptischen Christdemokraten sei „nicht zu trauen“, befand der „Sphärman“, sie wollten nur vor der Wahl nach Stimmen fischen.
Verletzt „PR-Drecksau“ die Standesregeln?
In alle Richtungen wird ausgeteilt – das befeuert das Rätselraten über die Hintermänner des 58-jährigen Beraters, der sich als „PR-Drecksau“ und Spezialist für Rufmord rühmen lässt. Bei früheren, meist nach dem gleichen Muster aufgebauten Kampagnen habe es stets Auftraggeber gegeben, wissen Betroffene. Wenn deren Ziele erfüllt waren, seien die zuweilen hart an der Grenze des Strafbaren formulierten Schmähungen wieder aus dem Netz verschwunden. Mit den Standesregeln der PR-Branche hat das natürlich wenig gemein. Die Absender von Botschaften müssten „klar erkennbar“ sein, erläutert Veit Mathauer, der Landesgruppenchef der Deutschen Public Relations Gesellschaft. Redaktionelle Formate wie Webseiten oder Blogs dürften „nicht verdeckt als Werbeträger missbraucht werden“. Verstöße dagegen könne der Deutsche PR-Rat prüfen.
Für einen zwielichtigen Unternehmer tätig
Doch die Branchenregeln scheinen Johst und seine „Societät für strategische Medienberatung“ nicht sonderlich zu beeindrucken. Engagieren lässt er sich, „wenn normale PR nicht mehr hilft“ – auch von fragwürdigen Akteuren. Vor Jahren war er für einen schillernden Berliner Unternehmer tätig, der später wegen diverser Wirtschaftsdelikte verurteilt wurde. Es gebe viele Gründe, diesen für unseriös zu halten, schrieb das „Handelsblatt“ lange vor dem Prozess. „Einer von ihnen ist Marcus Johst.“ In einem Blog rücke er Gegner seines Auftraggebers ins Zwielicht, mit grenzwertigen Methoden: Da werde jemand als „käuflich“ bezeichnet, das Wort dann sichtbar durchgestrichen und durch „geschäftstüchtig“ ersetzt. Rechtlich könne man ihm nichts anhaben, darauf sei Johst stolz, berichten Weggefährten.
Eine Kampagne in eigener Sache aber beschäftigte über Jahre hinweg die Justiz. Aus Ärger über eine private Fehlinvestition in Aktien, bei der er einen sechsstelligen Betrag verlor, stänkerte er im Netz gegen einen Frankfurter Unternehmensberater. Bilanzfälscher, Firmenräuber, Börsenhallodri – mit solchen und ähnlichen Attributen überzog er den Mann. Der witterte dahinter den Versuch einer Erpressung, weil Johst seine wertlosen Anteile für viel Geld abgekauft haben wolle. Es kam zu Ermittlungen, zur Anklage und zum Strafprozess, am Ende wurde der PR-Berater vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten freigesprochen.
Gericht sieht eine versuchte Erpressung
Parallel lief indes bis 2023 ein Zivilprozess, in dem es um Unterlassung bestimmter Äußerungen und um Schadenersatz ging. Nach einem Erfolg in erster Instanz unterlag der klagende Manager zunächst vor dem Kammergericht: Die Webseite sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Doch über den Bundesgerichtshof erzwang er eine neue Verhandlung, mit gegenteiligem Ergebnis. Nun zeigte sich der Senat überzeugt, dass der Blog zumindest auch „als Nötigungsmittel im Rahmen einer versuchten Erpressung“ diente – was Johst stets bestritten hatte. Im Urteil vom vorigen Sommer wurden ihm Schmähungen verboten und dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Schadenersatz zugesprochen; eine bezifferte Forderung gab es zunächst nicht.
Unklar ist, was sich bei Johst holen lässt. Derzeit befindet er sich in Österreich in einer Art Privatinsolvenz. Der Stand des „Schuldenregulierungsverfahrens“ ist online einsehbar, als sein Beruf wird dort „Oberkellner“ ausgewiesen – ein Scherz oder der Versuch, bescheidene Einnahmen zu suggerieren? Auf seiner Webseite zum Biosphärengebiet Oberschwaben bittet der PR-Berater jedenfalls um Spenden. Mehrere Anfragen unserer Zeitung ließ er unbeantwortet.
Keine Auskunft vom Fürstenhaus Waldburg-Zeil
Wer bedient sich einer derart schillernden Figur im politischen Meinungskampf? Angesichts bekannter Kontakte von Johst zu einstigen Adeligen und dem frühen Protest oberschwäbischer „Adelshäuser“ gegen das Großreservat richten sich die Blicke auch auf diese Kreise. Der Chef des Hauses Waldburg-Zeil, Erich Fürst von Waldburg zu Zeil und Trauchburg, hatte bereits Ende 2021 einen geharnischten Protestbrief an Kretschmann unterzeichnet: Man stelle sich „mit aller Entschiedenheit“ gegen das Biosphärengebiet und damit verbundene Beschränkungen. Sein Förster ist nun der Sprecher der Kritiker-Allianz, er kennt Johst offenbar persönlich. Doch zum Haus Waldburg-Zeil darf er nichts sagen, das liege „außerhalb meiner Kompetenzen“. Nicht einmal eine Mailadresse oder einen Ansprechpartner benennt er auf mehrere Bitten. Ein Anfrage unserer Zeitung – auch per Brief an den Generalbevollmächtigten des „Fürsten“ – blieb ohne jede Resonanz.