Mit Umfragen im Internet und auf Marktplätzen geht die Partei auf die Suche nach neuen Themen. Parteichef Thomas Strobl sieht einen „Meganachholbedarf“.

Stuttgart - In ihrer Verunsicherung nach der verlorenen Landtagswahl entdeckt die CDU die Frauen. Nur 22 Prozent der Mitglieder sind weiblich. Das bedauert der Landesvorsitzende Thomas Strobl ausdrücklich. „Da ist nicht befriedigend, das müssen wir ändern.“ Hätte man erst mehr weibliche Mitglieder, dann fänden sich in der Folge auch mehr Kandidatinnen für die Parlamente, meint der CDU-Vorsitzende. Auch in den Reihen der Abgeordneten macht Strobl Nachholbedarf aus, was Frauen angeht. Und erst bei den Wählerinnen. Nur die Frauen über 60 halten den Christdemokraten die Treue. In allen anderen Altersgruppen (abgesehen von den Gruppe zwischen 25 und 34) haben die Frauen bei der Landtagswahl 2011 den Grünen den Vorzug vor der CDU gegeben.

 

Strobl und seine Parteifreunde können sich das nicht erklären. Jetzt sucht die CDU Baden-Württemberg ihr Heil in der Demoskopie. Fragebogenaktionen im Internet, Telefoninterviews und Befragungen auf Marktplätzen sollen der Partei helfen, die Frauen zu verstehen. Dass Frauen einen Bogen um die CDU-Infostände machen, soll der Vergangenheit angehören. Dazu wollen die Landtagsabgeordneten Katrin Schütz und Claus Paal mit ihrem Projekt „Frauen im Fokus“ beitragen. Nicht in Hinterzimmern, sondern auf den Marktplätzen sollen die zukünftigen Themen der Partei ermittelt werden.

„CDU ist bereit, ihre eigenen Positionen zu überdenken“

Wer sich durch das Vorgehen an die Politik des Gehörtwerdens der grün-roten Landesregierung erinnert fühlt, den belehrt Strobl eines Besseren. Die Regierung höre nur da zu, wo es ihr gefalle. „Die CDU Baden-Württemberg ist bereit, den Menschen zuzuhören und ihre eigenen Positionen zu überdenken.“

Das könnte aktuell in der Diskussion über das Betreuungsgeld der Fall sein. „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineinkommt“, deutet Strobl an. Die Betreuung daheim sei in der CDU als mindestens gleichwertig mit der Betreuung außerhalb anerkannt. Doch müsse das Angebot außer Haus verbessert werden, denn die CDU wolle die Wahlfreiheit ermöglichen. In der aufgeheizten Diskussion rät Strobl zunächst dazu, „ideologisch abzurüsten“.

Katrin Schütz versichert, die Befragung , die wissenschaftlich ausgewertet werden soll, beschränke sich keinesfalls auf klassische sogenannte Frauenthemen. Man wolle die Meinung der Baden-Württembergerinnen zur Energiepolitik ebenso hören wie zu den Finanzen oder eben zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die CDU will erfahren, was die Frauen von Politik erwarten. Zu gerne möchte sie auch wissen, warum die Frauen bei der Landtagswahl gewählt haben, wie sie gewählt haben.

Strobl räumt einen „Meganachholbedarf“ ein

Der Mitinitiator der Aktion Claus Paal scheut auch nicht „schonungslose Diskussionen“. Für die CDU sei es wichtig, „Politik für, vor allem aber mit Frauen zu machen“. Themen für schonungslose Diskussionen gibt es wohl genug. Thomas Strobl räumt einen „Meganachholbedarf“ bei der Einrichtung von Ganztagsschulen im Land ein, auch in den Krippen fehlten noch 30 000 Plätze, um 2013 den Rechtsanspruch der Kleinkinder zu erfüllen. Überhaupt, so befürchtet der Landesvorsitzende, hätten CDU und Frauen in der Vergangenheit „aneinander vorbeigeredet“.

Die neue Dialogorientierung bleibt nicht auf die Befragung beschränkt. An dieser werden aus repräsentativen Gründen auch Männer beteiligt. Sie ist für Mai geplant, die Auswertung soll der Partei im September vorliegen. Ein Frauenkongress hat bereits viele Teilnehmerinnen durch die neue Offenheit in der Diskussion überrascht. Das ganze Jahr 2012 hat die CDU Baden-Württemberg zu ihrem Jahr der Frau ausgerufen – 37 Jahre nach dem ersten internationalen Jahr der Frau 1975.