Die IG CSD Stuttgart schließt sich kurz vor der Bundestagswahl der Kampagne „Wähl Liebe“ an. Diese richtet sich wenig überraschend gegen die Programmatik der AfD, lässt aber zwischen den Zeilen tiefer blicken.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Der Stuttgarter CSD zählt zu den Erstunterzeichnern der bundesweiten Kampagne „Wähl Liebe“ und will dabei für Parteien werben, die bei der Bundestagswahl am 23. Februar für „Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung“ eintreten, wie es in einer Pressemitteilung des Vereins IG CSD Stuttgart e.V. heißt, der sich unter anderem für die Organisation der jährlichen CSD-Politparade durch die Stuttgarter Innenstadt verantwortlich zeigt. Als Erstunterzeichnerin unterstütze die Interessengemeinschaft die Kampagne „federführend für Baden-Württemberg.“

 

Dass sich die IG CSD Stuttgart politisch für die Rechte queerer Menschen einsetzt, ist Kernthema des Vereins – sich derart deutlich kurz vor einer Wahl zu positionieren, das ist aber neu. „Wir können zeigen, dass Hass und Spaltung niemals gewinnen werden und dass wir in Stuttgart und Umgebung zusammenhalten“, heißt es weiter. Besonders in Zeiten, in denen rechtsextreme Parteien und politische Strömungen versuchten, Hass und Intoleranz zu schüren, sei es wichtig, ein starkes Zeichen für Demokratie und Menschenrechte zu setzen.

Zunächst scheint hier vor allem eine Wahlwarnung gegenüber der AfD ausgesprochen zu werden, aber andere Passagen des Mitteilung richten sich offenbar auch gegen die Programmatik der Unionsparteien. „Wir als Teil der queeren Community blicken mit großer Sorge auf die anstehenden Bundestagswahlen“, wird Vorstandsmitglied Betina Starzmann zitiert, „neben verbalen und körperlichen Angriffen müssen wir auch gesetzliche Rückschritte befürchten.“ Eine Reform des sogenannten Abstammungsrechts sei nach dem Aus der Ampelregierung in weite Ferne gerückt.

Streitpunkt Abstammungsrecht

Das Abstammungsrecht regelt Rechte von Regenbogenfamilien, es geht um die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung. „Das Abstammungsrecht ist - anders als das Adoptionsrecht - nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Oktober 2017 nicht geändert worden“, schreibt das Justizministerium dazu; das würde das die CSD-Community gern modernisiert sehen, werde laut Ministerium in der laufenden Legislaturperiode nach dem Ende der Regierungskoalition aber nicht weiterverfolgt.

Die Unionsparteien, die laut aktuellen Umfragen die stärkste Kraft im Bundestag werden dürften, verhalten sich zu dem Thema zurückhaltend. So bezeichnete die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz die Pläne zur Änderung des Abstammungsrechts des damals noch FDP-geführten Justizministeriums gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) als „unzureichend“, auf abgeordnetenwatch.de ließ die Christdemokratin Serap Güler die Frage dazu unbeantwortet. Alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien befürworten die Änderungspläne – mit Ausnahme der AfD, die sie entschieden ablehnt.

Auch Lars Lindauer, ebenfalls Vorstandsmitglied der IG CSD Stuttgart, sagt in einem in der Mitteilung zitierten Satz noch deutlicher, wen queere Menschen laut der Bewegung im Februar eher nicht wählen sollten: „Die CDU/CSU und die AfD möchten erkämpfte Meilensteine wie das Selbstbestimmungsgesetz zurücknehmen und setzen sich gegen ,Gendersprache’ ein.“ Das ist, was die Union angeht, etwas überspitzt formuliert: Im Wahlprogramm 2025 von CDU/CSU steht zum Selbstbestimmungsgesetz zwar geschrieben, dass es in seiner jetzigen Form abgeschafft werden soll. Die Formulierungen bleiben aber schwammig, was an dessen Stelle treten könnte. Klar ist: Die Hürden für eine amtliche Geschlechtsänderung im Personalausweis sollen wieder höher gehängt werden, besonders bei Jugendlichen.

Große Demo auf dem Schlossplatz geplant

Das Engagement der IG CSD Stuttgart im Rahmen der „Wähl Liebe“-Kampagne geht aber über die Fragen dem Abstammungsrecht und dem Selbstbestimmungsgesetz hinaus. Es werden drei Kernforderungen an die künftige Bundesregierung formuliert: „Die Aufnahme queerer Menschen ins Grundgesetz, die finanzielle Absicherung queerer Projekte und ein besserer Schutz vor Hasskriminalität und Hatespeech.“ Weiter will die „Wähl Liebe“-Kampagne Informationen zusammentragen, wie sich Parteien gegenüber queeren Themen positionieren.

Der CSD Stuttgart schließe sich außerdem dem bundesweiten „Wähl Liebe“-Aktionstag am 15. Februar an. Eine Woche vor der Bundestagswahl sei eine große Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz gemeinsam mit anderen queeren Netzwerken geplant. Details dazu sollen folgen.