Eine Agentur der gleichen Gruppe, die auch die Imagewerbung des Landes betreut, ergattert die Kampagne für die Energiewende. Die heimische Konkurrenz zieht erneut den Kürzeren. Umweltminister Untersteller verteidigt die Vergabe als blitzsauber.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Umweltminister reagierte persönlich auf die Kritik an seiner neuesten Initiative zur Energiewende. Morgens hatte Franz Untersteller (Grüne) die 800 000 Euro teure „Dialogkampagne“ noch stolz den Medien präsentiert: Mit einer Online-Plattform und mannshohen Zahlen – den Zielvorgaben „50-80-90“ – wolle man die Bürger fürs Energiesparen und den Einsatz erneuerbarer Energien gewinnen. Abends verteidigte er die Werbeaktion dann auf Facebook gegen die Sticheleien eines PR-Experten.

 

„Umgesetzt von einer Berliner Agentur. Gab es keine im Ländle???“, erkundigte sich der Chef einer Stuttgarter Agentur. „So etwas schreiben wir natürlich aus“, erwiderte Untersteller bereits nach drei Minuten. „Entscheidend sind zum Schluss Preis und Konzept.“ „Wie praktisch, dass die Stammagentur der Grünen also offensichtlich nicht nur das beste, sondern auch das preisgünstigste Angebot abgegeben hat“, setzte der PR-Mann nach. Diesmal dauerte es elf Minuten, bis der Umweltminister antwortete: „Stammagentur? Ich arbeite erstmals mit denen zusammen!!“ Die weiteren Erläuterungen über frühere Aufträge der Grünen an die fragliche Agenturgruppe ließ er dann ebenso unkommentiert wie die Klage, dass heimische PR-Experten bei den Stuttgarter Regierenden – ob früher Schwarz-Gelb oder heute Grün-Rot – offenbar schlechte Karten hätten.

Wenigstens ein Nürtinger als Geschäftsführer

Es ist ein Lamento, das in der Werbeszene immer wieder einmal ertönt. Schon als die Berliner Agentur Scholz & Friends 1999 den Zuschlag für die Imagekampagne des Landes („Wir können alles, außer Hochdeutsch“) erhielt, reagierten baden-württembergische Agenturen enttäuscht. Die Werber von Sebastian Turner, wurde gemosert, hätten ja nicht einmal eine Niederlassung im Südwesten. Ähnlich klang es, als der millionenschwere Auftrag 2010 überraschend von der Agentur Zum Goldenen Hirschen ergattert wurde. Zuständig war zunächst ein (wenigstens aus Nürtingen stammender) Geschäftsführer aus dem Kölner Büro, inzwischen gibt es eine Dependance in Stuttgart. Dass die Hirschen Group wiederholt für SPD und Grüne tätig gewesen war – für Joschka Fischer erfand sie etwa den Slogan „Außen Minister, innen grün“ –, irritierte die damals noch CDU-geführte Regierung nicht. Ihr Konzept sei einfach das beste gewesen.

Mit der Kampagne zur Energiewende ging nun einer der größten (und entsprechend begehrten) Etats nach der Imagewerbung an die gleiche Adresse: Die beauftragte Agentur „Ressourcenmangel“ gehört nämlich ebenfalls zur Hirschen-Gruppe. Das wurde nicht nur von dem auf Facebook aktiven PR-Berater, sondern in der gesamten Szene aufmerksam registriert. Politik zählen die mit Hauptsitz in Berlin ansässigen Kommunikationsexperten zu ihren Kernkompetenzen. „Im Superwahljahr 2009 haben wir aktiv die Wahlkämpfe von Bündnis 90/Die Grünen“ mit gestaltet, heißt es etwa auf ihrer Homepage. Da war es kein Wunder, dass die Vergabe in der Branche zum Gesprächsthema wurde.

„Ressourcenmangel“ mit dem besten Konzept

Für Geraune sieht Franz Untersteller freilich keinen Anlass. Es habe „keinerlei Vorfestlegung – sei es regionaler, politischer oder emotionaler Art“ – gegeben, lässt der Umweltminister seinen Sprecher erklären. „Die Entscheidung ist ausschließlich nach dem Kriterium der Qualität der vorgestellten Ideen gefallen.“ Fünf Agenturen, darunter drei aus Baden-Württemberg, hätten sich im Zuge der beschränkten Ausschreibung um den Auftrag bemüht.

Jeweils eine Stunde präsentierten sie ihre Konzepte der elfköpfigen Jury, danach fiel die Entscheidung. „Ressourcenmangel“ habe „das überzeugendste Konzept vorgelegt und deshalb (. . .) den Etat gewonnen“, sagt Unterstellers Sprecher; Kriterien seien die strategische Qualität, die Kreativität, die Qualifikation der Mitarbeiter und die Kosten gewesen. Die Verbindung zur Hirschen-Gruppe sei „rein zufällig“, frühere Engagements für die Grünen hätten „keine Rolle gespielt“.

Gänzlich ohne Eindruck ist die Facebook-Kritik aber offensichtlich nicht geblieben. Im Impressum der Kampagnenseite (www.50-80-90.de) stand zunächst „Ressourcenmangel, Berlin“. Inzwischen wurde das in „Ressourcenmangel GmbH, Stuttgart“ korrigiert. Die Adresse an der Theodor-Heuss-Straße ist übrigens identisch mit jener der Filiale der Mutteragentur Zum Goldenen Hirschen.