In Zeiten der Corona-Pandemie hat Teresa Enke mit ihrer Stiftung so viel zu tun wie nie. Die Krankheit Depression greift in diesen unsicheren Zeiten verstärkt um sich, auch Sportler leiden extrem.

Hannover - Manchmal ist Teresa Enke ganz in ihrer Welt. Wenn sie mit ihrem Hund durch den Wald joggt, vergisst sie auch schon mal einen Termin. Aber genau diese Momente braucht die 43-Jährige dringend, denn im Kampf gegen Depressionen im Sport hat sie mit ihrer Robert-Enke-Stiftung in Zeiten der Corona-Pandemie so viel zu tun wie nie. 

 

Die Fälle von psychischen Erkrankungen auch im Sport hätten zugenommen, die Situation spitze sich immer weiter zu, sagt die Witwe des früheren Nationaltorhüters Robert Enke, der 2009 wegen seiner Depressionen den Freitod wählte. Der Lockdown tue sein Übriges, die Sicherheit sei den Menschen abhanden gekommen. „Das ängstigt mich, diese permanente Ungewissheit sorgt bei uns für Kollateralschäden“, sagte Enke dem SID: „Corona wird noch viele Opfer fordern.“

„Haben unsere Hotline aufgestockt“

Sie bekämen in der Stiftung so viele Anfragen wie nie, sagt Enke, „wir haben unsere Hotline aufgestockt.“ Es sei aber immer schwieriger, Therapieplätze zu vermitteln: „Das hat es in den bislang elf Jahren noch nicht gegeben.“

Ihr Stiftungs-Mitarbeiter Tilman Zychlinski berichtet von speziellen Problemen: „Die Zukunftsängste sind extremer geworden. Die Sportlerin, die ein Kind eingeplant hatte, musste sich nach der Olympiaverschiebung 2020 ebenso umstellen wie ein Sportler, der sein Studium beginnen wollte. Es herrscht so viel Ungewissheit.“

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Diese Sorgen ziehen sich laut Zychlinski durch alle Sportarten: „Es gibt vermehrt Fälle von stationären und ambulanten Behandlungen, auch im Fußball, Basketball und Handball.“ Besonders schwierig ist es laut Enke unterhalb des Profisports: „Für Sportler, die einen Coach oder ein Team brauchen, ist es im Moment ganz schwer. Sie können nirgendwo trainieren. Da muss man selber die Kraft aufbringen, alleine was zu tun.“

„Das ist eine Tragödie“

Gerade junge und erfolgreiche Talente, so Enke, würden unter dieser Situation leiden. „Sie wollen nach oben kommen, haben aber Angst, ihren Leistungsstand zu verlieren“, sagte sie, „der Druck ist enorm. Und durch diesen Druck werden sie dann depressiv.“

Sie wisse um die Bedeutung des Sports für den ambitionierten Nachwuchs. „Ich habe mit Robert zusammengelebt. Ich weiß, wie wichtig der Sport ist. Viele Talente wollen das auch beruflich machen, und auf einmal entgleitet einem das. Das ist eine Tragödie“, sagt Enke.

Die Gefahr für den Nachwuchssport sei daher extrem, nicht wieder schließbare Lücken könnten entstehen: „Ich glaube, dass wir irgendwann von einer verlorenen Generation sprechen. Ich finde das sehr dramatisch.“ Unterstützung erhält Teresa Enke von Alfons Hörmann. „Es ist beängstigend, was da im Kinder- und Nachwuchsbereich offenkundig wird“, erklärte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), „viele hoffnungsvolle Nachwuchsathleten werden uns verloren gehen, ganze Jahrgänge deutlich geschwächt in die Zukunft gehen.“

Zumindest einen winzigen positiven Aspekt ringt Teresa Enke der Pandemie ab. „Die Bevölkerung kann sich dadurch vielleicht besser in die Situation von depressiven Menschen hineinversetzen“, sagte sie, „vielleicht ist man dadurch etwas einfühlsamer.“ Angesichts der aktuellen Dramatik dürfte dies aber nur ein schwacher Trost sein.