Die Delta-Werke an der Nordsee schützen Holland seit 50 Jahren vor dem ansteigenden Meeresspiegel. Die Hochwasser-Schutzanlage könnte jedoch bald nicht mehr ausreichen: In den nächsten 80 Jahren könnte das Wasser um zwei weitere Meter ansteigen.

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)

Zeeland - Der Kalender zeigt den 31. Januar 1953. Sturmwarnung an der niederländischen Nordseeküste. Der Sturm kommt. Es ist ein Orkan samt Sturmflut. Er durchbricht die Deiche an 589 Stellen, überflutet weite Teile der südniederländischen Provinz Zeeland. 1835 Menschen ertrinken in den Fluten. Zehntausende werden obdachlos. Das nie wieder, schwören sich die Niederländer. Sie bauen die Delta-Werke.

 

Delta-Werke müssen schleunigst verbessert werden

Die Delta-Werke sind heute das größte Küstenschutzprojekt in der Welt. Sie schützen das gesamte niederländische Küstengebiet von Süden in Vlissingen bis zum Norden in Den Helder gegen die Fluten der Nordsee. Ihr Bau kostete rund 14 Milliarden Gulden (heute etwa 7 Milliarden Euro). Sie wurden Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts fertig gestellt. Nun müssen sie erneuert und ausgebaut werden wegen des Klimawandels.

,,Die Delta-Werke müssen, falls der Anstieg des Meeresspiegels anhält oder gar noch zunehmen sollte, schnell verbessert und erneuert werden,‘‘ fordert der Vorsitzende der Delta-Werke Peter Glas in einem Interview mit der Zeitung ,,Algemeen Dagblad.‘‘ ,,Aus vorläufigen Szenarien des KNMI (Königlich Niederländisches Meteorologisches Institut) geht hervor, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um bis zu zwei Meter steigen könnte,‘‘ so Glas. ,,Das heißt, wir müssen die Delta-Werke permanent schließen. Aber dafür wurden sie nach der Flutkatastrophe 1953 nicht entworfen.‘‘

Einzigartige Konstruktion zum Wohle der Meeresbewohner

Das einzigartige an den niederländischen Delta-Werken ist, dass sie vielerorts bewegliche Sturmflutwehre sind. Sie können, wenn eine Sturmflut droht, geschlossen werden. Bei normalem Wetter sind sie offen, um das Spiel der Gezeiten von Ebbe und Flut weiterhin möglich zu machen, die Umwelt zu schützen und den Fischen und Schalentieren an der Küste freie Bahn im Wasser zu geben. Die fühlen sich hier noch immer wohl. Denn aus den Oosterschelde-Gewässern, dem Mündungsarm des Flusses Schelde in die Nordsee, werden Hummer, Austern und Muscheln gefischt.

Nach Ansicht des Vorsitzenden der Delta-Werke Peter Glas müssen die Niederlande jetzt schon die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um das riesige Küstenschutzprojekt Schritt für Schritt ab 2030 zu erweitern und zu modernisieren. ,,Teile der Delta-Werke müssen möglicherweise völlig erneuert werden,‘‘ meint Peter Glas. Und die Modernisierung des Küstenschutzes werde ,,viele Milliarden kosten.‘‘

In Grönland schmilzt 14 000 Tonnen Eis pro Sekunde

So berichtet das ,,The Arctic Monitoring and Assessment Programm (AMAP), das für die amerikanische Nasa forscht, dass in Grönland das Eis viel schneller schmilzt als bisher erwartet. Dieser AMAP-Untersuchung zu Folge schmelzen derzeit 14 000 Tonnen Eis pro Sekunde, die den Meeresspiegel steigen lassen. Für die Niederlande, deren Land zur Hälfte unter dem Meeresspiegel liegt, sind das Horrorbotschaften.

Aber das erschüttert die Niederländer nicht. Sie haben über Jahrhunderte den Kampf gegen die Nordsee geführt und bisher immer gewonnen. Sie haben sich ihr Land teilweise selbst erschaffen, indem sie es trocken gelegt haben. Polder heißen die trocken gelegten Landschaften, die unter dem Meeresspiegel liegen. Das Motto der Niederländer lautet: Ein Volk, das lebt, baut an seiner Zukunft.

Eine Erneuerung der Delta-Werke steht bevor

Die Delta-Werke, heute schon als ein Weltwunder gelobt, werden also erneuert und ausgebaut. Sie werden den Fluten der Nordsee und dem steigenden Meeresspiegel weiterhin trotzen, sodass die Niederländer auch ab 2030 und später noch immer trockene Füße haben werden.