60 Jahre ist es her, dass in Großbritannien letztmals Menschen hingerichtet wurden. Seitdem haben viele Staaten die Todesstrafe abgeschafft. Menschenrechtler sehen sich noch lange nicht am Ziel.
Im Jahr 2015 führte Utah die Hinrichtung von Todeskandidaten durch ein Erschießungskommando wieder offiziell ein. Doch auch die Giftspritze kommt zum Einsatz – wie am Freitag (9. August). Ein 48-Jähriger, der 1998 wegen Mordes zum Tode verurteilt worden war, wurde per Injektion getötet, wie die zuständige Gefängnisbehörde mitteilte. Es war die erste Hinrichtung in dem US-Bundesstaat seit 2010.
Am Tag zuvor war im US-Bundesstaat Texas ein 54 Jahre alter Häftling hingerichtet worden, der 1997 wegen der Tötung einer Joggerin verurteilt worden war. Dort war es bereits die dritte Hinrichtung in diesem Jahr.
EU lehnt Todesstrafe aus humanitären Gründen ab
Die Europäische Union kritisierte die beiden Hinrichtungen. Die EU lehne die Todesstrafe unter allen Umständen entschieden ab, hieß es in einer Mitteilung. Die Todesstrafe sei unvereinbar mit dem unveräußerlichen Recht auf Leben und stelle eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe dar. Justizirrtümer seien dadurch unumkehrbar.
Nach Angaben des Informationszentrums für Todesstrafe wurden in den USA in diesem Jahr bisher zwölf Menschen hingerichtet, 2023 waren es demnach 24. Bislang haben 23 der 50 US-Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft. In mehreren anderen Bundesstaaten wird sie de facto nicht mehr vollstreckt.
Amnesty: Todesstrafe muss abgeschafft werden
Länder, in denen die Todesstrafe vollstreckt wird, sind nach Ansicht eines Amnesty-Experten Unrechtsstaaten. Diese Länder würden das grundlegendste aller Menschenrechte verweigern, sagt Alexander Bojčević, Experte für die Todesstrafe bei Amnesty International in Deutschland.
„Die Todesstrafe ist grundsätzlich abzulehnen, das Recht auf Leben ist immer zu schützen.“ In den Ländern, in denen Hinrichtungen vollzogen werden, würden Menschen als Objekte des Staates gesehen und nicht umgekehrt.
13. August 1964: Letzte Hinrichtung in Großbritannien
Heute vor 60 Jahren wurde in Großbritannien zum letzten Mal die Todesstrafe vollzogen. Am 13. August 1964 wurden in Manchester beziehungsweise Liverpool zwei Männer wegen gemeinsamen Raubmordes hingerichtet. 1965 setzte das Vereinigte Königreich die Todesstrafe aus und schaffte sie später ab. In der Bundesrepublik Deutschland hieß es bei Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ In der DDR folgte dieser Schritt 1987.
Laut Bojčević haben in den vergangenen Jahrzehnten hätten mehr als 100 Staaten die Todesstrafe abgeschafft, nur sehr wenige hätten die Entwicklung zurückgedreht. Das Ziel eines völkerrechtlich bindenden Verbots sei bisher nicht erreicht worden. Aber es gebe eine positive Tendenz, die oft übersehen werde.
Todesstrafe noch in 20 Ländern
- Länder: Nach Angaben von Amnesty International (AI) hat die Mehrzahl der Staaten in der Welt die Todesstrafe abgeschafft oder vollzieht sie nicht mehr. Dennoch gab es laut Amnesty im Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern (Stand: Mai 2023). Das sei der höchste Wert in einem Zeitraum von fünf Jahren gewesen.
- Methoden: Derzeit kommen die folgenden Hinrichtungsmethoden zur Anwendung: Enthaupten, Erhängen, Giftinjektion und Erschießen.
- Verurteilte: Derzeit befinden sich laut AI weltweit zwischen 28 000 und 30 000 Menschen im Todestrakt.
- Stickstoffhypoxie: Die erste Hinrichtung in den USA in diesem Jahr am 25. Januar erregte viel Aufsehen: Erstmals wurde ein zum Tode verurteilter Mensch mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith wurde in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama mittels sogenannter Stickstoffhypoxie exekutiert.
- Rangliste: Mehr als zwei Drittel aller Staaten weltweit haben Amnesty International zufolge die Todesstrafe per Gesetz oder zumindest in der Praxis abgeschafft. Die Länder mit den meisten bekannt gewordenen Hinrichtungen 2022 waren China, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten und die USA.
- China: In einigen Ländern wie China, Nordkorea und Vietnam sind nach Amnesty-Angaben die genauen Zahlen geheim geblieben. Doch es bestehe kein Zweifel daran, dass etwa China nach wie vor jährlich Tausende Menschen hinrichte.
Verschiedene Länder, verschiedene Arten der Hinrichtung
- Enthaupten: Nach Amnesty-Kenntnissen werden Verurteilte in Saudi-Arabien enthauptet.
- Erhängen: In Ägypten, Bangladesch, Irak, Iran, Japan, Myanmar, Singapur, Südsudan und Syrien erhängt.
- Giftspritze: In China, den USA und Vietnam sterben zum Tode Verurteilte durch die Injektion von Gift.
- Erschießen: Erschießungen gibt es in Afghanistan, Belarus, China, Jemen, Kuwait, Nordkorea, Somalia und den Palästinensergebieten.
Zahl der gerichtlichen Hinrichtungen auf Fünf-Jahres-Hoch
Zuletzt hatte die Menschenrechtsorganisation kritisiert, die Zahl der gerichtlichen Hinrichtungen sei im vergangenen Jahr mit mindestens 1153 auf den höchsten Wert seit 2015 gestiegen.
Die exakte Zahl zu nennen, sei aber äußerst schwierig, so Bojčević. Zwar seien Staaten verpflichtet, Hinrichtungen offenzulegen. Tatsächlich aber gebe es in vielen Ländern gar keine oder keine genauen Angaben. Darunter seien mit China und Vietnam zwei Staaten, in denen Schätzungen zufolge sehr viele Menschen hingerichtet werden.
Um Todesurteile in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu verhängen und zu vollstrecken, müssen nach Angaben von Experte Bojčević hohe Hürden erfüllt werden. Dazu gehören unabhängige Gerichte, öffentliche Prozesse und dauernder Rechtsbeistand ab der Festnahme. Mit Sicherheit würden aber in den meisten Fällen gleich mehrere Faktoren nicht erfüllt, so Bojčević.