Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten auf Plattformen wie Facebook oder Twitter müssen geahndet werden. Das Gesetz gegen „Hatespeech“ ist deshalb richtig, findet der StZ-Autor Michael Maurer. Wenngleich Probleme bleiben.

Stuttgart - Schon allein der Name zeugt von einer typisch deutschen Ausprägung politischen Gestaltungswillens: Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG. Nachdem Appelle und freiwillige Vereinbarungen ebenso wenig genützt haben wie der Verweis auf die geltende Rechtslage, wird jetzt von oben durchgesetzt: Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere strafbare Inhalte auf den Plattformen sozialer Netzwerke sollen künftig wirksamer bekämpft werden. So begründete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Sommer 2017 sein Vorhaben.

 

Seit dem 1. Januar können nun von Nutzern angezeigte Kommentare in kürzester Zeit gelöscht oder geblockt werden, manche Accounts wurden sogar vorübergehend gesperrt. Deshalb wertet eine ganz große Koalition aus Teilen der Politik und der Gesellschaft das Gesetz aber als Anschlag auf die Meinungsfreiheit in Deutschland. Zwar sind sich (fast) alle darin einig, dass kriminelle Inhalte in den sozialen Netzwerken geahndet werden müssen, aber das von Maas gewählte Mittel, das NetzDG, ist aus Sicht der Kritiker der falsche Weg: Schlampig verfasst führe es dazu, dass Netzbetreiber aus Angst vor Bestrafung auch Inhalte sperren oder löschen, die keineswegs strafrechtlich relevant sind. Außerdem dürfe eine solch gravierende Entscheidung nicht Facebook oder Twitter überlassen werden.

Regulierung des Internet ist ein generelles Problem

Doch bei der Frage, was ihr Mittel der Wahl wäre, bleiben viele Kritiker stumm. Sie ist auch nicht einfach zu beantworten, denn das alles überwölbende Problem, zu dem auch das Thema „Hatespeech“ gehört, ist die rechtliche Regulierung des Internets generell. Auf dieses Problem hat weder die Politik noch die Gesellschaft bisher eine überzeugende Antwort gefunden. Schon seit Jahren gilt, dass soziale Netzwerke reagieren müssen, wenn ihnen juristisch relevante Posts gemeldet werden. Passiert ist nichts. Ein Runder Tisch von Plattformbetreibern und Justizministern hat 2015 freiwillige Maßnahmen beschlossen, die aber nicht konsequent umgesetzt wurden. Noch eine Ebene tiefer anzusetzen, nämlich auf die Einsicht und die Dialogbereitschaft der User zu setzen, wäre utopisch. Das Internet hat in dieser Hinsicht keine Fähigkeit zur Selbstregulierung. In seinen Weiten tummeln sich tausendfach hasserfüllte, provozierende, manipulierende User, die ihre Freiheitsrechte missbrauchen, um hemmungslos zu polemisieren, und dabei keinerlei juristische Grenzen achten.

Der Staat muss seine Regeln durchsetzen

Wenn aber weder Einsicht noch Freiwilligkeit zu erwarten sind, was bleibt dann, außer ein Gesetz zu erlassen? Ein besseres Gesetz, antworten die Kritiker. Mag sein, dass sie damit recht haben, womöglich bessert eine neue Bundesregierung tatsächlich nach. Doch zu viel Hoffnung sollte man darin nicht setzen, denn das Dilemma bleibt. Der Staat muss mit seinen Mitteln einen Bereich regulieren, in dem viele Beteiligte die Freiheit des Austauschs und der Meinungen geradezu absolut setzen und in dem auf der Grundlage dieses Freiheitsbegriffs extrem mächtige internationale Konzerne entstanden sind. Allzu enge Regeln stören sowohl die einen als auch die anderen, deshalb ist die Bereitschaft zur Einhaltung nationaler Regeln kaum vorhanden.

Meinungsfreiheit und der offene politische Diskurs sind für eine demokratische Gesellschaft lebensnotwendig. Genauso lebensnotwendig ist es aber, dass der Staat dieser Gesellschaft einen Rahmen gibt und ihn auch durchsetzt – im öffentlichen Raum ebenso wie im virtuellen, auf der Straße wie im Internet. Die oft bemühte und vielfach idealisierte Freiheit des Internets endet dort, wo sie zum Rechtsbruch wird, denn auf Dauer unterminiert jeder nicht geahndete Rechtsbruch auf die eine oder andere Weise eine Gesellschaft. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz mag in seiner jetzigen Form nicht optimal sein. Aber es ist notwendig, um ein Mindestmaß an Diskussionskultur zu garantieren.