Luftschadstoffe und saurer Regen schaden dem Waldboden. Im Kreis Göppingen werden jetzt Hubschrauber eingesetzt, die Abhilfe bringen sollen.

Region: Corinna Meinke (com)

Kreis Göppingen - Der Wind frischt auf und feiner Staub wirbelt durch die Luft, als sich der Hubschrauber von Felix Burggraf nähert. In einem lang gezogenen Bogen fliegt der Pilot dem Waldrand bei Börtlingen-Breech entgegen, wo ein großer Haufen Kalkmehl als Dünger für den Waldboden bereitliegt. Rund drei Wochen lang wird der Pilot die Waldflächen im Kreis Göppingen mit seiner Kalkfahne überziehen. In diesem Jahr wird schwerpunktmäßig der Schurwald zwischen Wäschenbeuren und Wangen mit Kalk behandelt, damit sich der seit Jahren übersäuerte Waldboden regenerieren kann.

 

Abenteuerliche Flugmanöver

„Der hat echt Spaß bei der Arbeit, das muss ja ein rechter Haudegen sein“, kommentiert ein Schaulustiger Felix Burggrafs spektakuläre Flugbewegungen. Und tatsächlich mutet das Manöver ein wenig abenteuerlich an, wenn sich der Hubschrauber steil in die Kurve legt und dabei den unten angehängten Transportkübel in einem weiten Bogen so unter sich herzieht, als ob er eine Gondel eines besonders hohen Kettenkarussells in Schwung halte.

Kaum hat der Hubschrauber den Kalkhaufen am Waldrand erreicht, bleibt er mit drehenden Rotoren in der Luft stehen. Jetzt hat sein angehängter Kübel, der an einem rund 30 Meter langen Seil befestigt ist, die richtige Position zum Beladen erreicht. Schon naht ein kleiner Vorderlader, der am Boden gewartet hat und füllt den Kübel mit Kalkmehl wieder auf. Nach wenigen Sekunden gibt der Pilot Gas und fliegt über den Wald davon.

Die Rotmilane lassen sich offenbar nicht stören

Dieses Manöver wiederholt sich alle zwei bis drei Minuten. „Der kommt nur runter zum Tanken“, erläutert der Forstamtsleiter Martin Geisel das Prozedere – oder wenn der Kalk ausgehe. So wie jetzt gerade. Zeit für einen kleinen Schwatz mit den Auftraggebern aus dem Göppinger Landratsamt, für das der Pilot schon seit Jahren die Kalkung aus der Luft übernimmt, die im Turnus von zehn Jahren wiederholt werden soll. Bei der Frage, ob der Hubschrauber nicht die Rotmilane vertreibe, um die die Naturschützer bangen, seit auf dem Schurwald Windräder gebaut werden, muss der Pilot Felix Burggraf lachen: „Die haben überhaupt keine Angst. Im Gegenteil, die fliegen neben mir her“, behauptet der Österreicher.

In diesem Jahr werden rund 500 Hektar Wald im Kreis Göppingen mit Kalk aus der Luft behandelt, 2019 sollen es weitere 700 Hektar Fläche sein. „Das ist zwar teurer, aber auch effektiver als die Ausbringung mit Fahrzeugen“, erklärt Geisel das Verfahren. Zumal die Flächen im Schurwald wegen der Klingen genannten steilen Täler auf diese Weise längst nicht alle über Wege erreichbar seien. Und der Kalk beim Verblasen vom Boden aus vom jungen Grün entlang der Wege meist zu früh gestoppt würde. In jedem Fall hoffen die Forstleute auf baldigen Regen, der das feine Pulver vom Laub auf den Boden waschen soll. Radler und Spaziergänger sollten die betroffenen und ausgeschilderten Waldwege während der Kalkung allerdings meiden, fordert der Revierförster Martin Mönich.

Der Wald dient als Speicher und Filter für das Wasser

Seit Jahrzehnten leide der Waldboden unter dem sauren Regen, der das Bodenklima versaure, beschreibt Geisel ein bekanntes Phänomen der industriellen Wirtschaftsweise. Aluminiumionen und Schwermetalle, die in den Waldboden gelangten, seien giftig für Flora und Fauna. „Das wollen wir mit dem Kalk ausgleichen und den Waldboden in sein vorindustrielles Stadium zurückholen“, erläutert der Forstamtsleiter. Weil der Wald nicht nur Sauerstoff produziert, sondern auch ein unverzichtbarer Speicher und Filter für das Wasser ist und damit der Daseinsvorsorge diene, gebe es große nationale Anstrengungen um das Bodenleben im Wald zu reaktivieren, berichtet Geisel.

Der Bund habe dazu ein Programm aufgelegt, das außerdem vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und vom Europäischen Landwirtschaftsfond gefördert werde. Dadurch entstünden dem Landkreis für den Staatswald keine Kosten, und die privaten Waldbesitzer profitierten von einer 90-prozentigen öffentlichen Förderung.